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Die Finsternis

Die Finsternis

Titel: Die Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Falls
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nicht«, rief er Pretty zu. »Gabion ist dafür bekannt, seinen Gegnern die Ohren abzureißen.«
    Während die anderen sich durch den Bohrschacht auf den Weg nach unten machten, blieben Gemma und ich am äußeren Geländer stehen. Die Sonne ging langsam unter, was mir Sorgen bereitete. Wenn die Surfs bis jetzt kein Lösegeld gefordert hatten, bezweifelte ich, dass sie es überhaupt noch tun würden, ungeachtet dessen, was Tupper gesagt hatte.
    »Was ist Riptide? «, fragte Gemma.
    Fife nutzte diese Floskel wahrscheinlich oft. Und irgendwie passte sie auch. »Eine Stelle im Meer, wo verschiedene Strömungen aufeinandertreffen. Das Wasser ist ganz aufgewühlt und es ist schwierig, ein Schiff hindurchzusteuern. Es kann tückisch sein.«
    »Schwierig zu steuern« passte genau zu der Situation, in der ich mich befand. Ich drehte mich um und ließ meinen Blick über das offene Sonnendeck mit den vereinzelten Café-Tischen wandern. Anders als auf den anderen Ebenen gab es hier nur ein paar Gebäude und den Bohrturm in der Mitte, sodass ich einen ungehinderten Blick auf die Surfs hatte, die sich am Geländer um den Bohrschacht drängten.
    »Einer von denen muss etwas wissen«, sagte ich frustriert. »Aber sie werden nicht mit mir reden.«
    »Du hast es noch nicht mal versucht«, bemerkte Gemma. »Vielleicht hassen nicht alle die Siedler.«
    »Von allem, was ich heute gehört habe, ist das das Einzige, woran ich nicht zweifle.« Ich sah sie an. »Was ist mit dir? Hast du Shade gefragt, ob du auf der Specter wohnen darfst?«
    »So kurz vor dem Kampf konnte ich ihm nicht erzählen, dass ich obdachlos bin«, sagte sie leichthin. »Das hätte seine Konzentration stören können.«
    Ich nickte, obwohl man nicht wissen konnte, in welcher Verfassung Shade nach dem Kampf sein würde. Hoffentlich hatte er dann noch seine Ohren.
    Plötzlich hatte ich wieder das Bild vor Augen, wie Shade das Fischöl auf seiner Haut verteilte, und mir kam eine Idee. »Du hast völlig Recht. Ich muss wenigstens versuchen, mit den Surfs zu reden. Aber nicht als Pionier.«
    »Wie …?«
    »Ich muss meinen Schein verdecken, sodass ich als jemand anderes durchgehe … zum Beispiel als Fischer.«
    Offensichtlich hatte sie meinen Plan verstanden, denn sie lächelte. »Dann such dir mal eine hübsche Farbe aus.«
    Fischer kauften Zinkpaste gleich im Fass und meistens in der Farbe ihres Firmenlogos. Ich wählte einfach die Farbe, die ich am meisten mochte: das Blau des Meeres an einem sonnigen Tag in etwa sechs Metern Tiefe. Ich zog mein T-Shirt aus und bekam die schnellste Zinkpastenbemalung des ganzen Ozeans.
    Der Angestellte hatte zugestimmt, mein T-Shirt und mein Halstuch bis zum Ende des Kampfes aufzubewahren. Von Kopf bis Fuß mit blauer Paste eingeschmiert, überquerte ich das Sonnendeck und vertraute darauf, dass ich wie ein Fischer aussah.
    Mit angehaltenem Atem eilte ich an einer Fressbude vorüber. Auf der fünften Ebene war ich an vielen Topsidern vorbeigekommen, die Papiertüten mit knusprig gebackenen Meeresalgen bei sich trugen. Doch hier oben sah ich nicht einen Surf, der Meerfenchel knabberte, einen salzigen Snack aus frittierten Pflanzenstängeln. Anders als die meisten Topsider waren Surfs Fleischesser. Roh, gegart oder geräuchert – und oft hinuntergespült mit flüssigem Walfischtran.
    Ich aß gerne Fisch, keine Frage, doch der Verkaufsschlager auf dem Sonnendeck war vergorene Robbenflosse, was noch verdorbener roch, als es aussah. Noch schlimmer war jedoch, dass die Flosse mit einem Dip gegessen wurde, der aus dem Inhalt der Robbengedärme hergestellt wurde – halb verdaute Muscheln und irgendwelches Grünzeug. Mum hatte mir einmal erklärt, dass die Surfs nicht genügend Platz auf ihren Townships hatten, um Gemüse anzubauen, und auf diese Weise lösten sie das Problem – sie aßen die Meeresalgen aus den Mägen der Meeressäugetiere. Meiner drehte sich schon allein bei dem Gedanken um.
    Ich ging an der überdachten Tribüne vorbei und spürte, wie die Haare an meinem Körper unter der Zinkpaste zu kribbeln begannen, als ich die Kleidungsstücke aus Darmhaut entdeckte – Ponchos, Regenhemden und ärmellose Mäntel mit Kapuzen. Sofort musste ich an Rajs reizende Theorie denken: dass die Surfs ihre wasserdichte Kleidung aus menschlichen Därmen herstellten. Ich wandte mich dem mir am nächsten stehenden Surf zu, um mir die durchsichtigen Streifen, aus denen seine Windjacke zusammengenäht war, etwas genauer anzusehen. Das war

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