Die Finsternis
Kopfschütteln ließ sie mich wissen, dass ich es auch jetzt nicht erwähnen sollte.
»Ist das eine Kellerassel?« Sie zeigte auf das gegrillte Krabbeltier, das Eel gerade zu knacken versuchte.
Ich wusste, dass sie nur das Thema wechseln wollte. Trotzdem musste ich lächeln, als ich sah, wie Eel sich abmühte. Er hielt die große Riesenassel an einem Hinterbein und bog sie über das Geländer, bis ihr Panzer am Kopf aufplatzte.
»Du willst das doch nicht etwa essen?«, stieß Gemma hervor.
Nachdem Eel das Tier in eine Schale mit gesalzenem Öl getaucht hatte, bot er ihr eines der Beine an. »Möchtest du mal kosten?«
Als Gemma angeekelt die Nase rümpfte, steckte er sich das eine Ende des Beins in den Mund und schlürfte laut.
Gemma wirbelte zu Shade herum. »Hast du ihnen denn keine Manieren beigebracht?«
Er lachte laut auf und ich war überrascht, wie viel Wärme darin mitschwang. Auch seine Antwort hatte nichts Sarkastisches. »Du kannst es ja gern versuchen.«
Da ertönten Jubelrufe und hallten von den Stahldecks der Stadt wider. Wir sahen zur anderen Seite der Plattform hinüber, wo jetzt der Box-Champion am Rand des Beckens stand. Der Surf mit den dunklen Haaren und dem Schnurrbart warf sein Handtuch ab. Seine Muskeln glänzten vor Öl, trotzdem wirkte er verglichen mit Shade eher schmächtig.
Ein paar junge Männer auf einer der oberen Ebenen riefen immer wieder: »Ansprache! Ansprache!« Daraufhin hob der Boxer seine Fäuste zu ihnen empor und knurrte wütend.
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte ich die Outlaws.
»Gabion ist stumm«, erklärte Kale.
»Und sie ziehen ihn damit auf?«, fragte Gemma entrüstet. »Das ist einfach nur gemein.«
Kale nahm schnell einen Schluck Bier, um sein Lächeln zu verstecken, doch Hatchet prustete unverhohlen los. »Das ist einfach nur gemein«, äffte er Gemma nach und lachte sich fast schlapp.
»Ja, das ist es«, schnappte Gemma. »Eigentlich kann ich mir nichts Schlimmeres vorstellen, als sich über die Behinderung eines anderen lustig zu machen. Vielleicht tut er so, als mache ihm das nichts aus«, sie zeigte mit dem Finger auf Gabion, »aber ich bin sicher, dass es seine Gefühle verletzt.«
Jetzt brachen auch die anderen in Gelächter aus, Shade eingeschlossen, dessen polterndes Lachen ebenso laut wie tief war. Nur Pretty blieb ungerührt und rollte mit den Augen, als Eel zu würgen begann, weil er sich vor Lachen verschluckt hatte.
Ich unterdrückte mein eigenes Lachen. »Dass sie sich über Gabion lustig machen«, sagte ich leise zu ihr, »ist wahrscheinlich noch das Netteste, was in diesem Ring passieren wird.«
Shade war schon auf dem Weg zum Ring, da blieb er noch einmal kurz vor Gemma stehen. »Ich werde versuchen, seine Gefühle nicht zu verletzen, aber für den Rest von ihm kann ich nicht garantieren.« Er zupfte liebevoll an ihrem Haarband und stieg durch die Lücke im Geländer. Die Jubelrufe nahmen deutlich ab.
Fast fühlte ich mich schlecht für ihn, doch da erhoben sich begeisterte Rufe und ein wilder Applaus. Die Menge reagierte auf Shades Tätowierungen, die er über seine Haut wandern ließ – eine übermütige Zurschaustellung seiner Dunklen Gabe. Das Publikum fuhr voll darauf ab. Kein Wunder, dass Fife gern mit dem »Lokalkolorit« prahlte.
Auf der anderen Seite des Bohrschachtes machte Gabion ein finsteres Gesicht angesichts Shades aufkommender Beliebtheit.
Eel trat zu Gemma und mir ans Geländer. »Jetzt muss Shade diesen hässlichen Kauz nur noch ins Wasser werfen.«
»Und zwar vollständig«, fügte Kale hinzu. »Solange Gabion auch nur einen Finger auf dem Floß hat, ist der Kampf nicht vorbei.«
»Nun, das klingt einfach«, sagte Gemma hoffnungsvoll.
Eel hob eine Augenbraue. »Na klar, einfach. Nur, dass alles erlaubt ist. Beißen, aufspießen, Kopfstöße …«
»Augen ausstechen«, fiel Trilo mit ein.
»Erwürgen«, fügte Hatchet hinzu.
»Aufhören«, rief Gemma.
Ich dachte, sie wollte keine weiteren grausigen Kampftechniken mehr hören, doch dann fügte sie hinzu: »Benutz eine Serviette.« Jetzt kapierte ich, dass sie Eel gemeint hatte, der die fettigen Hände an seinem T-Shirt abwischte.
Grinsend zog er das Tuch von seinem Kopf und betupfte damit vornehm seinen Mund.
Auf beiden Seiten des Beckens bestiegen jetzt Shade und Gabion ein kleines Boot.
Während die beiden Boxer zum Floß gerudert wurden, deutete Eel auf die Zuschauer. »Sie hoffen auf einen blutigen Kampf. Sie schließen Wetten darauf ab. Und
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