Die Finsternis
Computer würde es auf dieser Position halten. »Ich gehe nur kurz rein. Und ich werde nichts anfassen. Die Meereswache wird es untersuchen wollen, deshalb sollte ich lieber nichts verändern.«
Gemma nickte. »Ich helfe dir, die Luke zu öffnen.«
Es dauerte nicht lange, die Kette durchzuschneiden, die vom Drehrad am Lukendeckel bis zu einem Haltegriff am Schiffsrumpf gespannt war. Als ich die Luke aufzog, hatte ich das Gefühl, dass wir ein Grab öffneten. Eisige Luft schlug mir aus der Luftschleuse entgegen. Unter anderen Umständen hätte ich diese Abkühlung als angenehm empfunden, doch diese Art von Kälte jagte mir einen unheimlichen Schauer über den Rücken. Nach nur einem Atemzug wusste ich, dass der Sauerstoffgehalt viel zu gering war. Weil ich nicht riskieren wollte, dass mir schwindelig wurde, füllte ich meine Lunge mit Liquigen.
Gemma kletterte zurück auf das U-Boot. Unter den Sommersprossen war ihr Gesicht ganz blass geworden. »Bist du sicher, dass du da reinwillst?«
Ich nickte und wagte mich in die Luftschleuse vor.
»Ich werde hier auf dich warten und die Luke bewachen«, rief sie mir nach.
Die Schotte auf der anderen Seite der Luftschleuse standen offen, ich trat hindurch und fand mich in einem großen, weitläufigen Areal wieder. Das war vermutlich der Marktplatz. Durch die Algen und das Meeresgetier, mit denen die Plexiglaskuppel überzogen war, hatte das hindurchschimmernde Sonnenlicht eine grünliche Färbung, was dem Ort eine gespenstische Atmosphäre verlieh. Vielleicht war die nervöse Anspannung in mir aber nicht auf das trübe Licht zurückzuführen, sondern auf den Anblick der Menschen, die zusammengerollt und in Decken gewickelt auf dem Boden lagen. Ich war froh über das Liquigen in meiner Lunge, das mich davon abhielt, Hallo zu rufen, denn ich wusste, dass die Antwort nur eisiges Schweigen wäre.
Als ich mich näherte, sah ich, dass sie unter den Decken Schwimmwesten trugen – sie hatten auf Rettung gehofft, die nicht eingetroffen war. Ich schluckte, um den Kloß im Hals loszuwerden, und wandte mich lieber ab. Ich wollte nicht sehen, dass unter den Personen kleine Kinder waren, obwohl mein Verstand es längst wusste.
Ich richtete meinen Blick nach oben und stellte fest, dass sich die Plexiglaskuppel über dem Marktplatz tatsächlich aus mehreren Elementen zusammensetzte, die wie eine Reihe Tentakel zum Himmel hin geöffnet werden konnten. Nur dass das Bedienfeld nicht funktionierte.
Darauf bedacht, nichts anzurühren, umrundete ich vorsichtig das flache Becken, das in der Mitte des Platzes eingelassen war. Es befand sich kein Wasser darin, stattdessen bedeckten schimmernde weiße Kristalle die Seiten und den Boden des Beckens. Eis konnte es nicht sein, dazu waren die Kristalle zu groß. Ich brach ein Stück ab und kostete es. Das war Salz.
Ein schmales Rohr reichte in den Pool. Ich folgte ihm, bis es sich in der Mitte des Townships neben den geschwungenen Treppenaufgängen hinaufschraubte. Die meisten Türen der Wohnquartiere auf der Etage über mir standen offen, doch ich stieg die Treppe nicht hinauf. Ich brauchte mich nicht weiter umzusehen. Über diesem Schiff lag eine frostige Kälte, die alles Leben darin erstickt hatte. Hier konnte niemand überlebt haben.
Ich lief zurück zum Marktplatz und entdeckte Gemma, die in das Becken in der Mitte des Platzes starrte. »Niemand?«, fragte sie leise, als sich unsere Blicke trafen.
Da nun beide Schotten der Luftschleuse offen waren, musste genug Sauerstoff von außen hereingeströmt sein. Ich atmete ein, damit sich das Liquigen aus meiner Lunge verflüchtigte. »Ich fürchte nicht.«
Sie zitterte leicht. Dann beugte sie sich vor und berührte die Kristalle im Becken. Sie schien überrascht zu sein, wie leicht sie ein Stück mit der Hand abbrechen konnte. Sie hielt es in die Höhe, und als sich das Licht darin fing, erinnerte mich die Struktur des Kristalls an die Linien, die der tote Junge im Gesicht tätowiert hatte.
»Was ist das?«, fragte Gemma.
»Die Nomad war eine Salzfarm«, erwiderte ich traurig.
»Die Nomad? «
Ich zeigte auf das Wort, das an die Wand geschrieben war. »Das ist der Name dieses Townships.«
»Warum würde jemand so etwas tun?«
Ich schüttelte nur den Kopf. Ich wusste nicht warum . Und ebenso wenig konnte ich die Frage beantworten, die mir durch den Kopf ging, seit ich die Ketten vor den Luken entdeckt hatte: Wer würde so etwas tun?
Innerhalb einer Stunde hatten Mum, Dad, ich und ein paar
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