Die Finsternis
dann sehe ich sie, bewegliche verschwommene Gebilde, die neben mir schweben. Doch wenn ich mich umdrehe, um sie besser sehen zu können, verschwinden sie.«
Shade wandte sich an Pretty. »Nun?«
»Vielleicht.« Auf mehr wollte er sich wohl nicht festlegen.
Gemma warf die Decke ab und ihr durchnässter, völlig ruinierter Sari kam zum Vorschein. »Kannst du mich hypnotisieren, sodass ich sie nicht mehr sehe?«
»Vielleicht«, wiederholte er. »Auf jeden Fall kann ich dir die Angst nehmen.«
»Du sorgst dafür, dass sie sie nicht mehr sieht«, sagte Shade bestimmt.
»Mach am besten beides«, sagte Gemma. »Wie fangen wir an?«
»Warte!«, rief ich und sah Pretty an. »Du hast vor, an ihrem Verstand herumzupfuschen?«
»Sie kann es rückgängig machen«, erwiderte Pretty, als sei das keine große Sache. »Wenn sie sich wirklich stark auf das konzentriert, was sie vor der Hypnose gefühlt und gesehen hat.«
»Und wenn ich das nicht tue«, wollte Gemma wissen, »bleibe ich hypnotisiert, stimmt’s? Dann sehe oder spüre ich die Geister nie wieder und habe auch keine Angst mehr, im Meer zu tauchen, oder?«
»Das kann ich nicht genau sagen.« Pretty stieß sich von der Wand ab und trat näher. »Ich habe noch nie versucht, jemanden davon abzuhalten, Geister zu sehen.« Der Spott in seinen Worten war nicht zu überhören.
»Kann ich kurz mit dir reden?« Ich drängte mich durch die Outlaws und bot Gemma meine Hand an. »Allein.«
Ihr Blick wanderte zu Shade, der seinen Arm in Richtung Ausrüstungsraum ausstreckte. »Geh schon. Er soll ruhig alle Gründe aufzählen, warum das keine gute Idee ist.«
»Es ist nur dann keine gute Idee, dich hypnotisieren zu lassen, wenn Pretty gerade sauer auf dich ist«, sagte Eel und knuffte Hatchet am Arm, »und du nicht den ganzen Tag damit verbringen willst zu denken, du wärst ein Schwein.«
Während die anderen Outlaws auf Hatchets Kosten grölten und johlten, zog ich mich mit Gemma in den Ausrüstungsraum zurück.
Ich schloss die Luke hinter uns. »Seit wann fragst du jemanden um Erlaubnis für irgendetwas?«, wollte ich wissen. Bei ihrem verwirrten Blick fügte ich hinzu: »Shade. Du hast ihn fragend angesehen, bevor du zugestimmt hast, mit mir zu kommen.« Und das brachte mich zur Weißglut.
Sie winkte ab. »Es ist sein U-Boot.«
Da ich wusste, dass sie bei ihm leben wollte, hätte es mich nicht wirklich überraschen dürfen, dass sie sich den Mitgliedern seiner Gang anpasste und sich ihm unterordnete. Ich sollte mich lieber dem wirklich wichtigen Thema zuwenden. »Hör zu, du darfst nicht zulassen, dass Pretty dich hypnotisiert.«
»Wieso nicht?«
»Weil irgendetwas mit ihm nicht stimmt.«
Sie setzte diesen Blick auf, den sie immer hatte, wenn sie sich etwas nicht ausreden lassen wollte. »Er war als Jugendlicher in einer Besserungsanstalt eingesperrt. Wir haben nicht alle das Glück, eine Familie wie deine zu haben.«
»Darum geht es doch gar nicht. Du kannst besser in den Menschen lesen als ich einen Tiefenanzeiger. Du weißt, dass Pretty so viel menschliche Wärme wie ein Eisfisch besitzt. Wahrscheinlich hat er sogar wie dieser Fisch durchsichtiges Blut und ein weißes Herz. Und so jemanden willst du an deinem Verstand herumfuhrwerken lassen?« Als sie nichts erwiderte, fügte ich hinzu: »Wir finden eine andere Möglichkeit, wie wir dir helfen können.«
»Welche denn?«, höhnte sie. »Ein Arzt würde mich für nicht ganz dicht erklären. Und wer weiß, vielleicht bin ich das auch.« Zitternd ließ sie sich auf eine Bank fallen. »Ich will nicht auf irgendeine Heilung warten, die vielleicht nie eintritt. Nicht, wenn die Chance besteht, dass Pretty es jetzt ändern kann.«
»Weil Shade es so will?«
»Wie bitte? Nein«, erwiderte sie hastig. »Ich habe meine eigenen Gründe. Geister!«
»Aber du machst es auf seine Weise, weil du willst, dass er dich akzeptiert und auf der Specter leben lässt. Das ist okay, ich hab schon verstanden. Er ist das einzige Familienmitglied, das du noch hast.«
Sie wurde ganz still. »Ich dachte, ich sei jetzt ein Teil deiner Familie«, sagte sie leise. »Das haben deine Eltern gesagt. Das hast du gesagt. Egal wo ich wohne.«
»Natürlich bist du das«, beeilte ich mich zu sagen. »Aber der Plan war doch, Shade zu fragen, ob du bei ihm leben kannst, oder?«
»Es gibt keinen Plan. Ich habe dir gesagt, dass ich mich nicht um meine Probleme kümmern will, bis wir deine Eltern gefunden haben. Weil es mir egal ist, wo ich landen
Weitere Kostenlose Bücher