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Die Flamme erlischt

Die Flamme erlischt

Titel: Die Flamme erlischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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Leiche überrascht. Kein Wunder, daß er in der Nähe gewesen war. Von der pelzbesetzten Lederjacke, die Garse und er abgeworfen hatten, war keine Spur zu entdecken. Dirk schleppte sich zu dem ausgekühlten Wrack des Gleiters hinüber und kletterte in den dunklen Rachen. Als er sich hineinfallen ließ, schnitt er sich an einer scharfen Metallkante, aber er bemerkte es kaum, ein Kratzer mehr, darauf kam es jetzt auch nicht mehr an. Vor dem Wind geschützt, und – wie er hoffte – auch vor den Braiths und dem Banshee, wartete er. Die meisten seiner Wunden hatten sich geschlossen, wie er stumpfsinnig bemerkte. Wenigstens blutete er jetzt nur noch ein bißchen. Aber der braune Schorf war überall dick mit Schmutz verkrustet, und er fragte sich, ob er nicht etwas gegen eine drohende Infektion unternehmen konnte. Im Moment schien das jedoch keine große Rolle zu spielen, er schob den Gedanken beiseite und umklammerte den Laser noch fester, in der Hoffnung, die Jäger würden nicht mehr lange auf sich warten lassen.
    Was sie wohl aufhielt? Vielleicht fürchteten sie sich davor, den Banshee zu stören, ja, das schien einen Sinn zu ergeben. Auf der kalten Asche legte er den Kopf in die Armbeuge und versuchte, nicht zu denken und nicht zu fühlen. Seine Füße kamen ihm wie rohe Fleischklumpen vor. Ungeschickt versuchte er, sie in der Luft zu halten, so daß sie nichts berührte. Das half ein wenig, aber er hatte nicht die Kraft, in dieser unnatürlichen Stellung lange zu verweilen. Wo der Braithhund ihn gebissen hatte, schmerzte sein Arm höllisch. Eine Zeitlang wünschte er sich inbrünstig, er könnte den Schmerz unterbinden und seinen Kopf in einen klareren Zustand versetzen. Dann überlegte er es sich anders. Gerade die Schmerzen waren es, die ihn wahrscheinlich davor bewahrten, bewußtlos zu werden, dachte er. Und wenn er jetzt einschlief, dann würde er nie wieder aufwachen.
    Er sah den Fetten Satan über dem Wald hängen. Die blutigrote Scheibe wurde von blauschwarzen Ästen halb verdeckt. Neben ihm strahlte eine einzelne gelbe Sonne sehr hell, ein kleiner Funken am Firmament. Er blinzelte ihnen zu. Sie waren alte Freunde.
    Der Lärm der Braithhunde brachte ihn in die Wirklichkeit zurück. Zehn Meter vor ihm brachen die Jäger durch das Unterholz. Nicht so nah, wie er sie erwartet hatte. Natürlich waren sie den Würgern ausgewichen, dachte er, anstatt sich einen Weg durch das Dickicht zu bahnen. Pyr Braith war fast unsichtbar – blauschwarz gekleidet hob er sich kaum von dem Baum ab, vor dem er stand –, aber Dirk sah seine Bewegungen, den Stock, den er in der einen und die silberglänzende Klinge, die er in der anderen Hand über seinem Kopf hielt. Sein teyn war ihm einige Schritte voraus. An kurzen Ketten hielt er zwei Hunde, die wie wahnsinnig bellten und ihn dermaßen nach vorn zogen, daß er in einen Trabschritt verfiel. Ein dritter Hund rannte frei neben ihm her und begann sofort auf den abgestürzten Gleiter loszujagen, als sie die Büsche hinter sich hatten.
    Zwischen verkohlten Sitzen und zerschmetterten Armaturen lag Dirk auf dem Bauch im Wrack. Plötzlich kam ihm alles unendlich lustig vor. Pyr ließ die Silberklinge über seinem Kopf kreisen und rannte ebenfalls los, er war sich sicher, endlich seine Beute gefunden zu haben. Er hatte keinen Laser. Aber Dirk besaß einen. Dirk kicherte ausgelassen, hob das Gewehr und zielte bedächtig.
    Als er den Abzug durchzog, kam seine Erinnerung zurück, schnell und stechend, wie der Lichtstrahl, der aus seinem Laser blitzte. Janacek, es war noch nicht lange her, mit ernstem Gesicht, die Achseln zuckend: Ihr Leben kann davon abhängen, wie schnell und in welche Richtung Sie laufen, und ob Sie mit Ihrem Gewehr im entscheidenden Augenblick treffen, hatte er gesagt. Und Dirk hatte hinzugefügt: Und ob ich töten kann. Es war ihm so schrecklich wichtig erschienen, das Töten, viel wichtiger, als nur zu rennen.
    Er kicherte wieder. Das Rennen war ihm sehr schwergefallen. Das Töten mutete dagegen äußerst leicht an – er brauchte nur abzudrücken. Die gleißendhelle Lichtlanze hing eine lange Sekunde in der Luft und spießte Pyr auf. Sie traf ihn mitten in den Leib, als er auf die Absturzstelle zulief. Der Braith stolperte und fiel auf die Knie. Einen Augenblick lang hing sein Unterkiefer auf absurde Weise herunter, dann fiel er aufs Gesicht und war Dirks Blicken entschwunden. Nur noch die lange Silberklinge war zu sehen, wie sie im aufgewühlten Boden steckte und im

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