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Die Flamme erlischt

Die Flamme erlischt

Titel: Die Flamme erlischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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Weg frei. Hinter ihnen gingen im Restaurant die Lichter aus.
    Der Wagen wartete noch dort, wo sie ihn verlassen hatten. Gwen bat die Stimme, sie zur Landeschleuse zurückzufahren, und sie fuhren wieder durch Korridore, die plötzlich von frohen Farben und beschwingter Musik erfüllt waren. »Der verdammte Computer hat die Spannung in unseren Stimmen registriert«, sagte sie ein wenig zornig. »Jetzt versucht er uns aufzumuntern.«
    »Das macht er aber nicht besonders gut«, sagte Dirk, aber er mußte dabei lachen. »Danke für das Essen. Ich habe vor der Ankunft meine Standards in Festivalgutscheine umgewechselt, aber viel ist dabei nicht herausgekommen, fürchte ich.«
    »Eisenjade ist nicht arm«, sagte Gwen. »Und auf Worlorn gibt es ohnehin nicht viel zu bezahlen.«
    »Hmm, ja. Ich glaubte bis jetzt, man würde überhaupt nichts los.« »Festivalprogrammierung«, ließ Gwen verlauten. »Dies hier ist die einzige Stadt, die noch nach diesem Prinzip arbeitet. Alle anderen haben den Betrieb eingestellt. Einmal im Jahr schickt pi-Emerel einen Mann, der die Rechnungen bei den Banken einlöst. Bald wird ihn die Fahrt mehr kosten als er einnimmt.«
    »Ich bin überrascht, daß das jetzt noch nicht der Fall ist.« »Stimme!« rief sie. »Wie viele Menschen leben heute in Challenge?« Die Wände antworteten. »Augenblicklich habe ich dreihundertneun legale Bewohner und, Sie eingeschlossen, zweiundvierzig Gäste. Falls Sie den Wunsch haben, können auch Sie legale Bewohner werden. Der Preis hierfür hält sich in Grenzen.«
    »Dreihundertneun?« sagte Dirk erstaunt. »Wo sind die alle?« »Challenge wurde für zwanzig Millionen Menschen erbaut«, sagte Gwen. »Du wirst sie hier kaum antreffen, aber sie sind da. Auch in anderen Städten gibt es noch Leute, wenn auch nicht so viele wie in Challenge. Hier lebt es sich am leichtesten. Das Sterben wird auch nicht schwerfallen, falls die Hochleibeigenen von Braith auf die Idee kommen, in den Städten anstatt in der Wildnis zu jagen. Das war schon immer Jaans größte Sorge.
    Riesige Energiemengen werden hier verschwendet, einfach vergeudet. Aber darauf lief es bei Challenge und Larteyn und dem ganzen Festival überhaupt hinaus. Verschwendung, protzige Schau, um zu zeigen, daß der Rand reich ist und mächtig, Verschwendung im großen Maßstab, wie es auf Menschenwelten vorher noch nie der Fall gewesen ist. Ein ganzer Planet wurde jahrelang umgeformt, danach verließ man ihn einfach wieder. Verstehst du? Was Challenge anbelangt, so ist das Leben dieser Stadt nur noch leere, automatische Bewegung.
    Mittels Kernreaktoren hält sie sich selbst in Gang und verpulvert die Energie in Feuerwerken, die kein Mensch sieht. Jeden Tag erntet sie mit ihren riesigen landwirtschaftlichen Maschinen viele Tonnen Nahrungsmittel, viel zuviel für den Bedarf der wenigen Einsiedler, religiösen Kultisten, verlorengegangenen und verwilderten Kinder, eben derjenigen, die als Strandgut des Festivals in die Stadt gespült wurden. Noch immer schickt Challenge jeden Tag ein Boot nach Musquel, um Fisch aufzunehmen. Natürlich gibt es dort gar keine Fische mehr.« »Stellt die Stimme kein neues Programm auf?«
    »Ach, das ist ja der Haken an der ganzen Sache. Die Stimme ist ein Idiot. In Wirklichkeit kann sie gar nicht denken oder sich selbst programmieren. Die Emereli wollten eben die Leute beeindrucken, deshalb hört sich die Stimme so gewaltig und omnipotent an. Verglichen mit den Computern der Akademie auf Avalon oder den Künstlichen Intelligenzen auf Alt-Erde ist sie ein Nichts. Sie denkt nicht und kann sich demnach auch nicht ändern. Sie macht das, womit sie beauftragt wurde, nicht mehr. Und die Emereli befahlen ihr weiterzumachen, so lange wie möglich der Kälte zu widerstehen. Genau das tut sie.«
    Sie sah Dirk an. »Sie hat Ähnlichkeit mit dir. Sie macht noch weiter, lange nachdem ihre Hartnäckigkeit Sinn und Bedeutung verloren hat. Sie läßt nicht locker, obwohl es nichts mehr zu gewinnen gibt. Sie wird auch dann nicht aufgeben, wenn alles gestorben ist.« »Aber bis alles tot ist, darf man nicht lockerlassen«, meinte Dirk. »Darauf kommt es an, Gwen. Gibt es denn eine andere Möglichkeit? Ich bewundere die Stadt, auch wenn es sich dabei um einen derart selbstgefälligen Idioten handelt, wie du sagst.« Sie schüttelte den Kopf. »Das sieht dir ähnlich.« »Da ist noch etwas«, sagte er. »Du trägst alles zu früh zu Grabe, Gwen. Worlorn wird sterben, aber noch ist diese Welt nicht tot.

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