0377 - Dämonenkrieg in Frisco
Su Ling sprang aus dem Bett. Wo sie gerade noch gelegen hatte, warf sich die Riesenfigur auf die Laken. Das Bett brach unter dem Gewicht des Aufpralls zusammen. Die Chinesin jagte mit einem weiten Sprung zur Tür, zum Lichtschalter. Die Deckenbeleuchtung flammte auf. Entsetzt sah Ling einen hölzernen Giganten, der sich bewegte, obgleich Holz sich doch eigentlich überhaupt nicht bewegen kann!
Daß es die vergrößerte Ausgabe einer Schachfigur war, registrierte das Mädchen im ersten Moment überhaupt nicht.
Der Holzriese richtete sich wieder auf und kreiselte in einer gleitenden Bewegung herum. Wenn Su Ling bis zu diesem Augenblick vielleicht noch gehofft hatte, es sei ein Mann, der sich wie eine große Holzfigur maskiert hatte, so sah sie sich jetzt getäuscht. Denn auch die Augen waren hölzern…
Wieder wuchtete sich der Koloß voran.
Ling überwand ihr Entsetzen. Sie warf sich zur Seite und entging einem kraftvoll geführten Fausthieb der Figur. Der Türrahmen zersplitterte unter dem Schlag. Ling warf sich gegen die Beine der Figur und brachte sie zu Fall. Su konzentrierte sich und hob die Hand. Sie legte all ihre Kraft und Konzentration in den Karateschlag, den sie jetzt gegen die liegende Figur führte. Der Hölzerne wollte sich ruckartig aufrichten, und das verdoppelte die Wucht des Schlages. Mit einem schrillen Kampfschrei ließ Su Ling ihre Handkante in den Nacken der Holzfigur schlagen.
Das Holz brach.
Der Kopf der Figur wurde glatt abgetrennt und rollte vor den Schrank. Mit dem Gesicht zur Schrankwand blieb er dort liegen.
Die kopflose Figur richtete sich dennoch auf. Ling sprang durch die Tür hinüber in ihre Wohnlandschaft, ins Dunkle. Ihre Hand schmerzte von dem wuchtigen Hieb, aber sie unterdrückte das Empfinden.
Sie sah, wie die kopflose Figur um sich tastete und sich zu orientieren versuchte.
Die hölzernen Augen konnten dem Körper keine Bilder mehr liefern! Das Monstrum war zwar nicht »tot«, aber »blind« geworden!
Daß es sich um Schwarze Magie handelte, war der Chinesin längst klar. Sie versuchte sich zu erinnern, wie man Magie bekämpft. Sie hatte in diesen Dingen keine Erfahrung. Daß es Zauberei und Hexenwerk wirklich gab und nicht nur in der Fantasie von Autoren und Filmregisseuren oder in der Einbildung der Menschen, hatte sie erst vor kurzer Zeit erfahren müssen.
Feuer!
Konnte man Magie nicht mit Feuer bekämpfen? Außerdem brennt Holz!
Sie fand Zündhölzer und Kerze und setzte den Docht in fliegender Hast in Brand, während die große Holzfigur buchstäblich kopflos im Schlafzimmer herumtastete, alles Erreichbare kurz und klein schlug und nach ihrem Opfer suchte. Lautlos huschte Su Ling heran, und mit der Kerzenflamme berührte sie das hölzerne Ungetüm.
Schlagartig schrumpfte die Figur zusammen! Es war verblüffend, wie schnell dieser Vorgang sich abspielte. Im ersten Moment glaubte Ling, der Hölzerne sei einfach verschwunden, aber dann sah sie zu ihren Füßen die kleine, kaum fingerlange Schachfigur liegen - ohne Kopf!
Der lag, ebenfalls wieder geschrumpft, immer noch vor dem Schrank!
Die Chinesin atmete tief durch. Dann hob sie die beiden Figur-Teile auf und trug sie ins Wohnzimmer zurück, in dem inzwischen auch Licht brannte. Sie stellte die beschädigte Figur zu den anderen auf das Schachbrett.
Wie war das möglich?
Zauberei… Magie… aber warum? Wer konnte diesen mörderischen Anschlag auf sie durchgeführt haben? Machte die Hölle wieder Jagd auf sie? Sie mußte an Wang Lee denken, ihren Gefährten aus fernster Vergangenheit. Sollte es mit ihm Zusammenhängen? Versuchte man ihm damit zu schaden, indem man sie bedrohte? Schon einmal war es so gewesen, vor nicht allzulanger Zeit… nur das Eingreifen Nicole Duvals hatte verhindert, daß Ling auf dem Opferaltar eines Hexenzirkels starb. [1]
Sie seufzte.
Es war ihr klar, daß ihr Leben in äußerster Gefahr war. Was sollte sie tun?
Obgleich es mitten in der Nacht war, war sie wieder hellwach. Sie betrachtete die Zerstörungen, die die Figur angerichtet hatte, und überlegte. Sie mußte Professor Zamorra und Nicole Duval um Hilfe bitten!
Sie schritt zum Telefon, nahm den Hörer ab und begann zu wählen. Auslandsgespräch über den Atlantik hinweg zur anderen Seite der Erdkugel. Frankreich, Château Montagne im Loire-Tal. Im Schlaf konnte sie dort niemand stören, weil es durch die Zeitverschiebung in Frankreich heller Vormittag war. Aber nur Raffael Bois, der alte Diener, meldete sich, nur konnte er
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