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Die Flamme erlischt

Die Flamme erlischt

Titel: Die Flamme erlischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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uns mit der Energieversorgung seine Spielchen treibt, und einem anderen, das uns im Nacken sitzt. Wie viele andere sind hinter uns her? Weißt du das vielleicht?« »Nein.«
    »Es sind bestimmt mehrere. Und selbst wenn es nicht so ist, sollten wir vom ungünstigsten Fall ausgehen und von hier verschwinden. Wenn sich noch andere Braiths in der Stadt herumtreiben und mit den Jägern in Kontakt sind, werden die letzteren den Stand der Jagd durchgeben. Wer weiß, ob die anderen dann nicht den Boulevard abriegeln!« Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Das glaube ich nicht. Jagdgruppen arbeiten nur selten zusammen. Jedes Paar will selbst zu Abschüssen kommen. Verdammt, ich wünschte, ich hätte eine Waffe!«
    Dirk ignorierte ihren letzten Satz. »Wir sollten es nicht darauf ankommen lassen«, meinte er. Er hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da begannen die hellen Lampen über ihnen zu flackern und schließlich zu verwaschenen grauen Flecken zu werden. Gleichzeitig ruckte das Gleitband unter ihnen und wurde langsamer. Gwen stolperte. Dirk fing sie auf und hielt sie in den Armen. Das langsamste Band stoppte zuerst, dann das Band daneben und schließlich jenes, auf dem sie standen. Gwen zitterte und sah zu ihm auf. Dirk drückte sie noch enger an sich. Aus der Nähe und der Wärme ihres Körpers zog er die so verzweifelt benötigte Geborgenheit.
    Unter ihnen – Dirk hätte schwören können, daß dieses Geräusch von unten kam, aus der Richtung, in die sie das Transportband getragen hatte –, nicht allzuweit entfernt, gellte ein kurzer schriller Schrei. Gwen befreite sich aus seinen Armen. Sie sagten beide kein Wort, sondern hasteten stumm über die im Schatten liegenden, leeren Fahrbahnen hinweg auf den Durchgang zu, der vom gefährlichen Boulevard hinweg zu den Korridoren führte. Als sie aus dem grauen Halbdunkel in das blaue Schattenreich traten, warf Dirk einen kurzen Blick auf die Stockwerkzahl: 468. Nun schluckten die Teppiche wieder alle Geräusche, und sie begannen zu laufen. Schnell rannten sie den ersten Gang hinunter, um danach wieder und wieder die Richtung zu wechseln. Manchmal bogen sie nach links ab, manchmal nach rechts, aber immer willkürlich und ohne System. Sie rannten, bis sie außer Atem waren. Dann hielten sie erschöpft inne und sanken unter dem dämmrigen Licht einer bläulichen Kugel auf den Teppichboden.
    »Was war das?« fragte er schließlich, als er wieder zu Atem gekommen war.
    Gwen keuchte noch immer unter der Anstrengung, die hinter ihnen lag. Es war ein langer Weg gewesen. Auf allen vieren hockend, versuchte sie, mit dem Kopf nach unten, durchzuatmen. Stumm geweinte Tränen malten nasse Bahnen in ihr Gesicht. »Was glaubst du, was es war?« brachte sie endlich mühevoll hervor. »Das war ein Spottmensch, der dort geschrien hat.«
    Dirk öffnete den Mund und schmeckte Salz. Er berührte die Nässe auf seinen eigenen Wangen und fragte sich, wie lange er schon weinte. »Also doch noch mehr Braiths«, flüsterte er.
    »Unter uns«, sagte sie. »Und sie haben ein Opfer gefunden. Verdammt, verdammt, verdammt nochmal! Wir haben sie hierher geführt, wir sind daran schuld. Wie konnten wir nur so dumm sein? Jaan hatte immer Angst davor, daß sie mit der Jagd in den Städten beginnen würden.« »Sie haben schon gestern Jagd auf die Schwarzweiner Puddingkinder gemacht«, versuchte Dirk abzuschwächen. »Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie hierherkommen würden. Sei nicht ganz so ...« Sie wandte ihm ihr Gesicht zu, das vor Wut verzerrt war. Ihre Wangen glänzten naß. »Was?« stieß sie hervor. »Du glaubst, wir seien nicht dafür verantwortlich? Wer denn sonst? Bretan Braith ist dir gefolgt, Dirk. Warum sind wir hierhergekommen? Wir hätten nach dem Zwölften Traum, Musquel oder Esvoch fliegen können. Verlassene Städte. Keinem wäre ein Leid geschehen. Jetzt werden die Emereli... Was sagte die Stimme, wie viele Einwohner es hier noch gibt?« »Ich erinnere mich nicht. Ungefähr vierhundert, denke ich.« Er versuchte, den Arm um sie zu legen und sie an sich zu ziehen, aber sie schüttelte ihn ab und starrte ihn an.
    »Es ist unser Fehler«, warf sie ihm vor. »Wir müssen etwas unternehmen.«
    »Wir können höchstens versuchen, am Leben zu bleiben, das ist alles«, sagte er. »Du darfst nicht vergessen, sie sind hinter uns her. Wir können uns nicht auch noch um andere kümmern.«
    Gwen blickte in unablässig an. In ihren Augen lag ... ja, was? Verachtung vielleicht, dachte

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