Die Flamme erlischt
Dirk. Ihr Blick jagte ihm einen Schreck ein. »Es ist nicht so, wie du es darstellst«, hielt sie ihm entgegen. »Kannst du eigentlich mal an jemand anders denken als nur an dich? Verdammt, Dirk – wir haben wenigstens den Geruchsneutralisator auf unserer Seite. Die Emereli haben überhaupt nichts. Keine Waffen, keinen Schutz. Sie sind Spottmenschen, jagdbares Wild. Wir müssen etwas tun!«
»Und was? Selbstmord begehen? Ist das vielleicht etwas? Du wolltest mich heute morgen nicht gegen Bretan antreten lassen, aber jetzt...« »Ja! Jetzt müssen wir. Auf Avalon hättest du nicht so gesprochen«, sagte sie mit lauter werdender Stimme, bis sie beinahe schrie. »Damals warst du anders. Jaan würde nicht ...«
Plötzlich wurde sie sich ihrer Worte bewußt und verstummte. Dann sah sie fort und begann zu schluchzen. Dirk verhielt sich ganz ruhig. »Das ist es also«, sagte er nach einer Weile. »Jaan würde nicht an sich denken, richtig? Jaan würde den Helden spielen.« Gwen sah ihn wieder an. »Das würde er – du weißt es.« Er nickte. »Ja, er würde es tun. Früher hätte ich das vielleicht auch getan. Mag sein, daß du recht hast. Vielleicht habe ich mich verändert. Ich kann es nicht mehr beurteilen.« Er fühlte sich krank, müde und besiegt. Er schämte sich. Seine Gedanken kreisten immer wieder um dasselbe Problem. Sie hatten beide recht, dachte er. Sie hatten die Braiths nach Challenge gelockt und ihnen Hunderte von unschuldigen Opfern ausgeliefert. Gwen hatte recht, die Schuld lag bei ihnen. Aber auch er war im Recht. Jetzt konnten sie nichts mehr tun, absolut nichts. Es mochte egoistisch klingen, aber es war die traurige Wahrheit. Gwen ließ ihren Tränen ungehemmten Lauf. Noch einmal legte er den Arm um sie. Diesmal ließ sie ihn gewähren und reagierte nicht ablehnend auf seine Tröstungsversuche. Aber während er ihr langes schwarzes Haar streichelte und gegen seine eigenen Tränen ankämpfte, war ihm die ganze Zeit hindurch bewußt, daß es nicht gut war und überhaupt nichts nützte. Die Braiths jagten und töteten – er vermochte sie nicht aufzuhalten. Er mußte froh sein, wenn er sich selbst retten konnte. Wirklich, er war nicht mehr jener alte Dirk, der Dirk von Avalon. Und die Frau in seinen Armen war nicht Jenny. Beide waren sie nur Freiwild.
Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. »Ja«, sagte er laut. Unsicher kam er auf die Füße und zog die verdutzte Gwen mit hoch. »Dirk?«
»Wir können etwas ausrichten«, sagte er und führte sie auf die nächste Zimmertür zu. Sie ließ sich leicht öffnen.
Dirk ging zum Wandschirm vor dem Bett. Die Zimmerbeleuchtung funktionierte nicht, die einzige Lichtquelle war das schwache blaue Rechteck, das durch den Türrahmen fiel. Dort stand Gwen, eine triste, dunkle Silhouette.
Dirk konnte nur hoffen, etwas anderes blieb ihm nicht. Er aktivierte den Wandschirm. Danach atmete er freier. Er wandte sich Gwen zu. »Was willst du tun?« fragte sie. »Sag mir eure Rufnummer in Larteyn.«
Sie verstand. Langsam nickte sie und nannte ihm die Ziffern, die er eine nach der anderen einspeiste. Das flackernde Rufsignal beleuchtete den Raum. Dann verschwand es, und die Lichtmuster formten sich zu den kantigen Gesichtszügen Jaan Vikarys.
Niemand sprach. Gwen trat aus dem Hintergrund hervor und stellte sich neben Dirk, eine Hand auf seiner Schulter. Schweigend musterte Vikary das Paar. Einen Augenblick lang hatte Dirk Angst, er würde einfach abschalten und sie ihrem Schicksal überlassen.
Stattdessen sprach er Dirk an. »Sie waren ein Festhaltbruder. Ich habe Ihnen vertraut.« Dann sah er auf Gwen. »Und dich habe ich geliebt.« »Jaan ...« sagte sie schnell, dabei weich und mit so leisem Flüsterton, daß Vikary sie kaum gehört haben konnte. Dann hielt sie inne, wandte sich um und ging rasch aus dem Zimmer.
Noch immer hielt Vikary die Verbindung aufrecht. »Wie ich sehe, sind Sie in Challenge. Warum haben Sie mich angerufen, t'Larien? Sie wissen doch, was wir jetzt tun müssen, mein teyn und ich?« »Ich weiß es«, sagte Dirk. »Und ich riskiere es. Ich muß es Ihnen einfach mitteilen. Die Braiths sind uns irgendwie gefolgt, wie, das weiß ich auch nicht. Wir hätten niemals geglaubt, daß sie uns aufspüren würden. Aber sie sind hier. Bretan Braith Lantry hat den Stadtcomputer abgeschaltet und scheint den größten Teil der restlichen Einrichtungen zu kontrollieren. Die anderen sind mit Jagdmeuten hier. Sie sind in den Gängen.« »Ich verstehe«,
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