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Die Flamme erlischt

Die Flamme erlischt

Titel: Die Flamme erlischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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gejagt, aber nicht gefressen, mußt du wissen. Man sagt zwar, diese Kreaturen seien nicht menschlich, sondern nur eine Art halbintelligenter Tiere, und man glaubt auch daran. Dennoch überwinden die Jäger den Gestank des Kannibalismus nicht, selbst sie nicht. Sie wagen es nicht. Selbst in den frühesten Tagen Hoch Kavalaans, während der dunklen Jahrhunderte, aßen die Festhaltjäger niemals das Fleisch der Spottmenschen, die sie erlegt hatten. Das überließen sie den Göttern, den Mistmotten und Sandkäfern. Natürlich, nachdem sie aus Dankbarkeit ihren Hunden einige Stücke überlassen hatten. Die Jäger nehmen jedoch Trophäen. Den Kopf. Siehst du den Rumpf dort? Zeig mir den Kopf.« Dirk fühlte ein Würgen im Hals.
    »Die Haut auch«, fuhr Gwen fort. »Sie tragen Messer zum Abhäuten. Oder besser gesagt, sie trugen diese Messer. Vergiß nicht, die Spottmenschenjagd ist auf Hoch Kavalaan seit Generationen verfemt. Selbst der Hochleibeigenenrat von Braith hat sich dagegen ausgesprochen. Die verbliebenen Jäger töten unrechtmäßig. Sie müssen ihre Trophäen verstecken und prahlen damit höchstens untereinander. Hier jedoch ... Nun, Jaan rechnet damit, daß die Braiths so lange auf Worlorn bleiben, wie es ihnen nur eben möglich ist. Sie reden viel davon, das alte Braith hier wieder aufleben zu lassen und ihre betheyns aus den Festhalten der Heimatwelt zu holen. Sie träumen von der Gründung einer neuen Koalition auf Worlorn, die den alten Traditionen verschrieben sein soll und alle vergessenen und absterbenden Scheußlichkeiten wieder ans Tageslicht zerrt. Von Dauer wäre das nicht: vielleicht ein Jahr oder zwei oder zehn, je nachdem, wie lange der toberianische Stratoschild die Wärme hält. Lorimaar Hoch-Larteyn und Komparsen – und keiner kann sie daran hindern.«
    »Wahnsinn!«
    »Vielleicht. Das hält sie aber nicht zurück. Falls Jaantony und Garse morgen abreisen würden, könnte sie nichts mehr daran hindern, ihr Vorhaben wahrzumachen. Die Anwesenheit Eisenjades schreckt sie ab. Sollten die anderen reaktionären Braiths in Massen hier auftauchen, so würde das fortschrittliche Eisenjade ebenfalls Männer senden. Das ist ihre Befürchtung. Dann gäbe es nichts mehr zu jagen, und sie und ihre Kinder stünden vor einem kurzen und harten Leben auf einer sterbenden Welt – ohne die Genüsse, auf die sie versessen sind: die Freuden der Hochjagd.« Sie zuckte die Achseln. »Aber es gibt schon jetzt Trophäengalerien in Larteyn. Allein Lorimaar prahlt mit fünf Köpfen, und man sagt, daß er zwei Jacken aus ›Spottmenschenleder‹ besitzt. Er trägt sie nicht. Jaan würde ihn töten.«
    Ruckartig ließ sie den Gleiter vorschnellen. »Also – willst du nun immer noch, daß ich ausweiche, wenn wir das nächste Mal auf Jäger stoßen?« fragte sie. »Jetzt weißt du, woran du mit ihnen bist!« Er antwortete nicht.
    Wenig später begann es vor ihnen erneut zu rumoren. Markerschütterndes Jaulen und Geschrei hallten durch den sonst verlassenen Spiralboulevard. Gwen mußte einem weiteren Ballonradwagen ausweichen, der mit zerfetzten Reifen im Wege lag und ein Bild der Verwüstung bot. Kurz darauf versperrte eine unförmige Masse schwarzen Metalls ihre Abfahrt. Es handelte sich um einen mächtigen Roboter, dessen vier ausgestreckte Arme in grotesken Stellungen über seinem Kopf erstarrt waren. Ein dunkler, mit gläsernen Augen besetzter Zylinder bildete den oberen Teil des Körpers. Unten bestand er aus einem mit Rädern versehenen fahrbaren Untersatz von der Größe eines Gleiters. »Ein Wärter«, bemerkte Gwen, als sie an der regungslosen Maschinenleiche vorbeischwebten. Dirk sah, daß man an jedem Arm die Greifzangen abgeschlagen hatte und der Rumpf mit ausgeschmolzenen Laserlöchern übersät war.
    »Hat er gegen sie gekämpft?« fragte er.
    »Wahrscheinlich«, antwortete sie. »Das bedeutet wohl, daß die Stimme noch nicht ganz außer Gefecht gesetzt wurde. Sie kontrolliert noch einige Funktionen. Vielleicht haben wir deshalb nichts mehr von Bretan Braith gehört. Es könnte sein, daß sie dort unten Schwierigkeiten haben. Es ist ganz logisch, daß die Stimme ihre Wärter auf den Plan bringt, um die Lebensfunktionen der Stadt zu schützen.« Sie schüttelte den Kopf. »Es spielt aber keine Rolle. Die Emereli halten es nicht mit der Gewalt. Die Einsatzmöglichkeiten der Wärter sind begrenzt. Sie feuern Betäubungsbolzen ab und können Tränengas durch ein Gitter an ihrer Fahrplattform absprühen. Die

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