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Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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umzudrehen brauchte, um sie mit der Klinge des Bajonetts aufzuschlitzen. Aber was auch immer sie tat, sie musste rasch handeln. Rasch und entschlossen …
    Während ihr Blick auf den Ägypter geheftet blieb, der wachsam umherspähte, jedoch noch immer nicht in ihre Richtung schaute, bückte sie sich und hob den Enfield vom Boden auf. Den Spannhahn des Revolvers zurückzuziehen war ihr nicht möglich, da das Klicken sie verraten hätte. Sie würde auf das Überraschungsmoment setzen müssen, das stärker wog als jede Waffe.
    Jetzt!
    Lautlos wie eine Raubkatze setzte Sarah aus der Gasse und stand einen Lidschlag später hinter dem Soldaten – und noch ehe der Mann auch nur dazu kam, sich umzuwenden, spürte er bereits den kalten Lauf der Waffe in seinem Nacken.
    »Fallenlassen«, schärfte Sarah ihm ein, »oder du bist tot!«
    Obgleich ihr Arabisch ein wenig eingerostet war, schien der Soldat sie sofort zu verstehen. Ein krampfhaftes Nicken, dann ließ er das Gewehr los, das Sarah mit einem Tritt aus seiner Reichweite beförderte.
    »Hände hoch und umdrehen«, verlangte sie, und erst, als der Ägypter sich zu ihr umwandte, spannte sie die Waffe, die sie beidhändig auf ihn gerichtet hielt.
    Sarah war überrascht, denn das sonnengebräunte Gesicht, das sie von unter dem Fes anblickte, gehörte einem blutjungen Kerl, der kaum dem Knabenalter entwachsen war.
    »Elender Grünschnabel«, knurrte sie auf Englisch. »Musstest du unbedingt hier Krieg spielen?«
    Die Augen des Soldaten weiteten sich, als er sah, mit wem er es zu tun hatte. Vermutlich, dachte Sarah, stellte es für ihn eine Erniedrigung dar, von einer Frau übertölpelt zu werden, aber immerhin war er beeindruckt genug, um keine Dummheiten zu machen.
    Fieberhaft überlegte sie, wie sie weiter verfahren sollte. Natürlich hätte sie es nicht übers Herz gebracht, einen Unbewaffneten zu erschießen, der zudem kaum das Mannesalter erreicht hatte. Aber ihr war auch klar, dass mit jedem Augenblick, den sie verstreichen ließ, die Gefahr wuchs, dass ihr Gefangener ihre Unsicherheit erkannte und zu fliehen versuchte oder um Hilfe rief.
    Und was dann?
    Sollte sie abdrücken und womöglich die gesamte Garnison alarmieren …?
    Sarah war noch zu keinem Entschluss gekommen, als sie es in den Augen des Jungen flackern sah.
    »La!«, zischte sie auf Arabisch, aber der Junge scherte sich nicht darum. Blitzschnell fuhr er herum und ergriff Hals über Kopf die Flucht, stürzte zum Tor, das halb offen stand und durch das der gleißende Schein der Morgensonne ins Lagerhaus fiel.
    Sarah wirbelte herum, den Revolver noch immer im Anschlag. Ihr Finger krümmte sich am Abzug, obwohl ihr klar war, dass sie nicht schießen würde, es einfach nicht konnte …
    Plötzlich wischte etwas von der Seite heran – ein großer, schwerer Gegenstand, der den Jungen traf und ihn ins Taumeln brachte. Der Soldat gab einen überraschten Laut von sich, der jäh erstarb, als ihn ein vernichtender Fausthieb traf und ins Reich der Träume schickte. Lautlos sackte der Ägypter zusammen und blieb bäuchlings liegen.
    Erstaunt starrte Sarah auf du Gard, der über ihm stand und sich seine schmerzende Rechte rieb.
    »Alors, was fällt dir ein?«, fuhr er den Bewusstlosen an. »Eine Lady beim Umkleiden zu stören, so etwas tut kein Gentleman.«
    »W-woher …?«, stammelte Sarah.
    »Wir sahen ihn kommen und haben uns versteckt«, erklärte der Franzose grinsend, während Hingis vorsichtig hinter dem Fässerstapel hervorlugte, hinter den sie sich geflüchtet hatten. »Leider blieb keine Zeit, dich zu warnen.«
    »I-ich dachte, du verabscheust jede Form von körperlicher Gewalt …«
    »Oui, das tue ich – aber hätte ich diesen arglosen Gesellen nicht aufgehalten, hätte er uns verraten, und das wäre noch weitaus unerfreulicher gewesen.«
    »Danke«, erwiderte Sarah atemlos.
    »Schon gut.« Er sandte ihr einen Blick, der seiner unbekümmerten Rede zum Trotz eindringlich und voller Ernst war. »Aber merke dir für die Zukunft eines, Sarah – wenn du zu einer Waffe greifst, dann solltest du auch bereit sein, damit zu töten. Andernfalls wird dein Gegner sich deine Schwäche zunutze machen.«
    »Verstanden.« Sie nickte schuldbewusst.
    »Hast du schon einmal …?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Dann sollten wir es auch dabei belassen.« Er strich ihr sanft durchs Haar, ehe er sich Hingis zuwandte, der betroffen dastand und auf den reglos am Boden liegenden Soldaten starrte. Obwohl sich der Schweizer alle

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