Die Flamme von Pharos
Mühe gegeben hatte, seine Gesichtszüge zur Tarnung einzufärben, waren sie kreidebleich.
»Fassen Sie mit an«, forderte du Gard ihn auf, »wir wollen unseren schlummernden Freund verstecken. Und du, Sarah, solltest deine Verkleidung komplettieren, ehe noch mehr dieser unerfreulichen messieurs hier auftauchen …«
Im Schutz des Lagerhauses warteten sie ab, bis die Sonne vollständig aufgegangen und die Soldaten nicht mehr die Einzigen waren, die sich am Kai herumtrieben.
Allem Anschein nach hatten die Ägypter mit einem britischen Angriff im Morgengrauen gerechnet. Als er nicht erfolgte, verließen mehr und mehr Einwohner Alexandrias ihre Häuser, in denen sie sich verschreckt verschanzt hatten, und gingen – so gut es unter diesen Voraussetzungen eben möglich war – ihren Tagesgeschäften nach.
Im Hafen freilich blieb die Betriebsamkeit gedämpft. Alle Schiffe, die dazu in der Lage gewesen waren, hatten Alexandria bereits vor Tagen verlassen. Was jetzt noch dort vor Anker lag, hatte wenig Aussicht, die Passage heil zu überstehen, geschweige denn die britische Blockade zu überwinden. Dennoch fanden sich Arbeiter im Hafen ein – allerdings nicht, um Fracht zu löschen oder Schiffe zu beladen, sondern um unter bewaffneter Aufsicht entlang der Kaimauer Barrikaden aus Kisten, Fässern und Sandsäcken zu errichten. Man rechnete, folgerte Sarah, also nicht nur mit einem Bombardement, sondern auch mit einer Invasion – über die Folgen einer solchen Konfrontation für die Bevölkerung Alexandrias wollte sie lieber gar nicht nachdenken. Ihre Aufgabe war es, ihren Vater zu finden, und das möglichst rasch, ehe die einstmals blühende Stadt sich in ein Inferno der Zerstörung verwandelte, wie du Gard es prophezeit hatte.
Da das Lagerhaus nur das eine, zur Uferseite gewandte Tor besaß, konnten Sarah und ihre Begleiter nur darauf hoffen, dass sie im allgemeinen Durcheinander nicht auffallen würden. Nacheinander verließen sie das Gebäude, mit gesenkten Häuptern und raschen Schrittes, damit es so aussah, als wüssten sie genau, was sie zu tun hätten und wohin sie wollten.
Sie kamen nicht weit.
Noch ehe sie die Straße erreichten, die von der Uferzeile in Richtung Ras el-Tin und El-Gumruk abbog, der türkischen Altstadt Alexandrias, ließ sich hinter ihnen plötzlich ein heiserer Schrei vernehmen, der unmissverständlich ihnen galt.
Sarah zögerte einen Moment. Wenn sie die Flucht ergriffen, würden sie die Aufmerksamkeit der Soldaten erst recht auf sich ziehen – sie mussten also versuchen, den Schein zu wahren …
»Bleibt stehen«, raunte sie ihren Gefährten zu und wandte sich um. Den Kopf hielt sie dabei gesenkt, was der Korporal, der sie angerufen hatte, als Unterwürfigkeit interpretierte.
»Ihr da!«, blaffte er. »Bringt diese Fässer da rüber, und verstärkt diese Barrikade. Und beeilt euch, ihr faules Pack. Die Briten können jeden Augenblick angreifen …«
»Naram«, erwiderte Sarah und verbeugte sich tief, und noch ehe der Unteroffizier auch nur dazu kam, Verdacht zu schöpfen, führte sie ihre Begleiter auch schon zu den Fässern, auf die er gedeutet hatte – mannshohe Exemplare aus dunklem Holz, von denen sie eines umlegten und gemeinsam über die gepflasterte Straße rollten.
»Du meine Güte«, hauchte Hingis dabei. »Ich dachte schon, wir wären entdeckt worden.«
»Oui, das dachte ich auch«, bestätigte du Gard flüsternd. »Dabei leistet uns dieses Fass wertvolle Dienste …«
Damit hatte er zweifellos recht, denn inmitten der vielen, in bunte djellabahs und weiße Kaftane gehüllten Männer, die entlang des Kais ihren Dienst versahen, fielen drei Gestalten, die ein Fass die Straße entlangrollten, nicht weiter auf. Friedrich Hingis allerdings war trotz des offenkundigen Vorteils gewohnt verdrießlich.
»Da bin ich nun Tausende von Meilen gereist, um in Ägypten Frondienste zu verrichten«, maulte er. »Man könnte meinen, dass sich in den letzten dreitausend Jahren hier kaum etwas verändert hat …«
Zusammen mit ihrem Fass verschwanden sie im Gedränge. Weit draußen auf See waren jenseits des Hafenbeckens und der Türme von Fort Kait Bey schemenhaft die britischen Kriegsschiffe zu erkennen, deren schimmernder Stahl im Sonnenlicht blitzte. Noch schwiegen die Kanonen, aber natürlich konnte sich das jederzeit ändern …
Die Barrikade, zu der sie das Fass hatten bringen sollen, ließen Sarah und ihre Begleiter im wörtlichen Sinne links liegen und steuerten stattdessen
Weitere Kostenlose Bücher