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Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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die einen nur das Nötigste mitgenommen hatten, schienen andere ihren gesamten Hausstand verladen zu haben. Wieder andere witterten in der Panik ihrer Mitmenschen Profit und nutzten die Gelegenheit, ihre Dienste als Kameltreiber oder Träger zu Wucherpreisen anzubieten.
    Unbeschreiblicher Lärm lag über dem Treiben und reichte von schreienden Kindern und ihren zeternden Müttern bis hin zu blökenden Kamelen, die mit heiseren »Yalla! Yalla!« – Rufen angetrieben wurden. Staub lag über der Straße, so dicht, dass es Sarah schier den Atem raubte. Kurzerhand schlug sie das eine Ende des Burnus über die Schulter, sodass der Stoff Mund und Nase bedeckte und nur die Augenpartie freiließ. Du Gard und Hingis taten es ihr gleich.
    »Und Sie glauben im Ernst, dass wir Ihren Vater inmitten dieses Durcheinanders finden werden?«, erkundigte sich der Gelehrte. »Die ganze Stadt scheint auf den Beinen zu sein.«
    »Sieht ganz danach aus.« Sarah nickte. »Dennoch müssen wir meinen Vater finden. Ohne ihn werden wir keine Antworten bekommen.«
    Der Schweizer erwiderte etwas Unverständliches, dann schloss er sich Sarah und du Gard an, die trotz der Lawine an Menschen und Material, die sich zwischen den Häusern hindurchwälzte, die andere Straßenseite zu erreichen suchten. Irgendwie gelang es ihnen, sich durch eine Herde mit Säcken bepackter Maultiere zu kämpfen. Dem Strom der Masse folgend, erreichten sie eine schmale Gasse, die weniger dicht bevölkert war und in die sie sich flüchten konnten.
    »Unser Ziel ist das Viertel Manschiya«, erklärte Sarah. »Eigentlich hätten wir dazu nur der Hauptstraße zu folgen brauchen, aber in Anbetracht der Lage ist daran wohl nicht zu denken.«
    »Pourquoi?«, wollte du Gard wissen. »Was ist in Manschiya?«
    »Dort und im angrenzenden Stadtteil Attarin befinden sich die letzten Überreste des antiken Alexandria«, sagte Hingis, noch ehe Sarah antworten konnte. »Lady Kincaid ist nicht die Einzige, die in klassischer Geschichte bewandert ist, wissen Sie.«
    »Schön für Sie, Monsieur«, erkannte du Gard tonlos an, »ich fürchte nur, wir haben im Augenblick ganz andere Sorgen.«
    »Wovon sprichst du?«, erkundigte sich Sarah.
    »Von denen dort«, erwiderte der Franzose und deutete geradeaus. Sarah war augenblicklich klar, was er meinte.
    Sie hatten das Ende der Gasse erreicht und waren auf eine Straße gelangt, die weniger belebt war. Auch hier versuchten verzweifelte Einwohner, sich und ihren Besitz in Sicherheit zu bringen, aber es herrschte längst kein solches Gedränge wie zuvor. Nur vereinzelt kamen Fuhrwerke und beladene Kamele die Straße herab – allerdings auch ein Trupp weiß uniformierter Soldaten. Noch waren sie rund fünfzig Yards entfernt, aber sie kamen genau in Richtung der Gasse …
    »Verdammt«, zischte Sarah. Ein jäher Impuls riet ihr, sofort die Flucht zu ergreifen, aber natürlich hätten sie sich damit nur verdächtig gemacht. Vernünftiger war es, so zu tun, als wären auch sie verängstigte Einwohner, die nichts anderes im Sinn hatten, als möglichst rasch die Stadt zu verlassen.
    Das Problem war nur – die Soldaten hatten nicht vor, die Flüchtlinge einfach ziehen zu lassen …
    Sarah fuhr herum, als sie hörte, wie hinter ihnen Tumult ausbrach. Eine Frau rief laut um Hilfe. Wie Schafe, deren Herde von Wölfen überfallen wurde, beschleunigten die übrigen Passanten augenblicklich ihren Schritt und begannen zu laufen. Sie schienen genau zu wissen, was das Gekeife zu bedeuten hatte.
    Betroffen sah Sarah, wie die Soldaten einen Knaben an sich rissen. Die hysterisch schreiende Frau – offenbar seine Mutter – klammerte sich an ihn und wollte ihn nicht gehen lassen, woraufhin einer der Soldaten sie brutal mit dem Gewehrkolben zurückstieß. Der Junge, der seiner am Boden liegenden Mutter zu Hilfe eilen wollte, wurde von zwei weiteren Uniformierten gepackt und davongeschleppt, begleitet vom höhnischen Gelächter eines Offiziers.
    »Zwangsrekrutierungen«, entfuhr es du Gard. »Die Aufständischen haben es angesichts des Ungewitters, das sich vor der Küste zusammenbraut, wohl mit der Furcht zu tun bekommen.«
    »Der Junge ist fast noch ein Kind«, stellte Sarah entrüstet fest und ballte zornig die Fäuste. »Die Frau hat eine Platzwunde an der Stirn. Man muss ihr helfen …«
    »Alors, und wer sollte das deiner Ansicht nach tun? Du etwa?«
    Sarah erwiderte nichts, starrte nur wie gebannt auf das himmelschreiende Schauspiel. Welche Nationalität jene

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