Die Flamme von Pharos
Boden.
Gleichschritt.
Soldaten …
»Schhh«, machte du Gard überflüssigerweise und schmiegte sich neben dem hohen vergitterten Fenster an die Wand. Hingis huschte zur anderen Seite, während Sarah unterhalb der Öffnung Zuflucht suchte.
Die Schritte kamen näher.
Die genaue Zahl der Soldaten zu schätzen war unmöglich, aber Sarah vermutete, dass es mindestens ein Dutzend waren. Möglicherweise war das Auftauchen der ›Astarte‹ doch nicht so unbemerkt geblieben, wie sie gehofft hatten …
Ein heiseres Kommando erklang, und der Gleichschritt setzte aus. Vorsichtig riskierte Sarah einen Blick über die Fensterkante. In einiger Entfernung erblickte sie eine Abteilung Soldaten, die ihnen dankenswerterweise den Rücken zuwandten. Bekleidet waren die Männer mit der weißen Sommeruniform der ägyptischen Armee. Auf ihren Häuptern trugen sie den roten Fes, jene traditionelle Kopfbedeckung, die die Form eines umgekehrten Bechers besaß und im ganzen Osmanischen Reich als Sinnbild der türkischen Hoheit galt. Zwar war Urabis Erhebung gegen den von Konstantinopel eingesetzten Khediven ein Indiz dafür, dass jenes Reich im Niedergang begriffen war, der Fes jedoch war als Reminiszenz an einstige Größe geblieben …
Der Befehlshaber des Trupps, der den blauen, mit goldenen Ornamenten versehenen Offiziersrock trug, erteilte seinen Leuten eine Reihe von Befehlen.
»Verstehst du, was er sagt?«, erkundigte sich du Gard flüsternd.
»Das meiste davon«, erwiderte Sarah, die der ägyptischen Ausformung des Arabischen mächtig war. »Er erteilt seinen Leuten Anweisungen … Sie sollen sich entlang der Kais verteilen und die britischen Schiffe im Auge behalten. Offenbar rechnen sie mit einem baldigen Angriff.«
»Wir wurden also nicht entdeckt?«
»Wie es aussieht, nicht.« Sarah schüttelte den Kopf, wagte einen weiteren Blick und konnte sehen, wie die Männer in den weißen Uniformen in verschiedene Richtungen ausschwärmten. »Wir werden uns vorsehen müssen«, flüsterte sie. »Rasch, zieht euch um. Ich werde so lange Wache halten.«
Während Hingis ihrer Aufforderung augenblicklich nachkam und in die einheimisch anmutenden Kleider schlüpfte, die ein wenig Tarnung und Sicherheit versprachen, zögerte du Gard. Mit verkniffener Miene beobachtete er, wie Sarah den Revolver zückte. »Was soll das?«, zischte er. »Glaubst du wirklich, damit könntest du sie aufhalten? Nur ein einziger Schuss, und es wird hier vor Soldaten wimmeln.«
»Vielleicht«, gab sie zu. »Aber wenn sie uns entdecken, werde ich nicht einfach nur dasitzen und mich gefangen nehmen lassen, sondern mich verteidigen.«
»Sagte ich schon, dass ich jedwede Form körperlicher Gewalt verabscheue?«, fragte du Gard.
»Ich werde dich daran erinnern, wenn es um Leib und Leben geht«, beschied Sarah ihm kühl.
Sie wandte sich ab und behielt das Ufer und den nahen Kai im Auge, während du Gard und Hingis sich verkleideten. Als Sarah ihre Begleiter in Kostümierung erblickte, hätte sie beinahe laut aufgelacht, so deplatziert wirkten ihre blassen, pikierten Mienen unter den weißen Burnussen.
»Ihr müsst eure Gesichter beschmieren, um euch zu tarnen«, riet sie ihnen und ergriff selbst eine Hand voll Staub, mit der sie sich ohne Zögern das Gesicht puderte.
»Ich soll mich … beschmutzen?« Hingis’ Blick war verzweifelt. »Ist das denn wirklich nötig?«
»Durchaus nicht – Sie können auch so bleiben, wie Sie sind. Aber beschweren Sie sich nicht, wenn Sie von der erstbesten Patrouille erschossen werden …«
Während der Schweizer ihren Ratschlag unter leise gezischten Verwünschungen befolgte, nahm Sarah ihre eigene Verkleidung und zog sich zwischen zwei Kistenstapel zurück, um einen Augenblick ungestört zu sein. Zwar hatte du Gard sie in weit verfänglicherer Situation gesehen, mit Hingis jedoch war sie keineswegs so vertraut …
Gerade hatte sie den Kaftan übergeworfen, als sie ein verdächtiges Geräusch vernahm. Sarah widerstand der Versuchung, du Gards Namen laut auszusprechen. Stattdessen schlich sie auf leisen Sohlen zum Ende des Stapels und warf einen vorsichtigen Blick um die Ecke.
Ihr Herzschlag wollte aussetzen, als sie nur zwei Armlängen entfernt einen ägyptischen Soldaten gewahrte. Der Mann wandte ihr den Rücken zu, jedoch hatte er sein Gewehr mit aufgepflanztem Bajonett im Anschlag. Von Hingis und du Gard fehlte jede Spur.
Sarahs Gedanken rasten.
Sie wusste, dass sie sich vorsehen musste, dass der Soldat sich nur
Weitere Kostenlose Bücher