Die Flammen der Dämmerung: Roman (German Edition)
paar sinnlose Regeln sollen einen Mord als etwas Zivilisiertes erscheinen lassen.«
»Es ist kein Mord, wenn man sich seinem Gegner von vorn nähert und weiß, dass der die Absicht hat, einen umzubringen«, widersprach Arlen. »Und die Regeln haben eine Bedeutung: sieben Zeugen, damit alle, die von dem Ausgang des Zweikampfs betroffen sind, beobachten können, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Ein abgelegener Ort, an dem sich schlecht ein Hinterhalt planen lässt. Und der Kampf findet kurz vor der Abenddämmerung statt, wenn alle Männer ihre Zwistigkeiten beilegen und zu Brüdern werden. Die Zeugen sind gezwungen, nach dem Ende des Kampfes Frieden zu wahren.«
»Nichts von alledem macht das Ganze zivilisiert«, entgegnete Leesha.
»Wäre es dir lieber, wenn Tausende in einer Schlacht fallen würden?«, fragte Arlen. »Solange Menschen essen und scheißen und alt werden und sterben …«
»Werden wir nie wirklich zivilisiert sein«, ergänzte Leesha zu seiner Überraschung. »Zitiere bitte keine Philosophen, wenn du deine Freunde und Familie zwingst zuzusehen, wie ihr zwei versucht, euch gegenseitig zu töten.«
»Du musst nicht mitkommen«, beschied Arlen ihr kurzerhand. »Schick Darsy Holzfäller, wenn du zu schwache Nerven hast.«
»Ach, halt die Klappe!«, schnauzte Leesha ihn an.
Jardir sah zu, wie die Nordländer den Steilhang erklommen. Wie Inevera vorhergesagt hatte, befanden sich unter ihnen Leesha Papiermacher, seine Tochter und sein neuer Schwiegersohn, außerdem dieser Prinz aus dem Norden, der Anspruch auf den Stamm der Talbewohner erhob. Das war gut so. Es würde vieles vereinfachen, wenn der Par’chin erst einmal besiegt war, und trotz Amanvahs Brief konnte er einen Anflug von Freude nicht verhehlen, als er Leesha nach sechs Wochen Trennung wiedersah.
Er betrachtete den Mann, der die Gruppe aus den Grünen Ländern anführte, und obwohl sein Aussehen sich verändert hatte, erkannte Jardir auf Anhieb seinen ajin’pal – an der Art, wie er auf dem Pferd saß, an seiner Körperhaltung und auch an seinem wachsamen Blick. Auch er hatte sich in der Gesellschaft dieses Nordländers immer sicher gefühlt, hatte immer gewusst, welchen Rang er in seiner Wertschätzung einnahm.
Oh, mein Bruder, dachte Jardir traurig. Everam stellt mich wahrlich auf eine harte Probe, wenn ich dich ein zweites Mal töten muss.
Die Nordländer saßen ab und banden ihre Pferde gegenüber der Stelle fest, an der die krasianischen Rösser standen. Jardir und seine sieben Begleiter hatten sich zur Begrüßung der Neuankömmlinge so aufgestellt, dass sie den gähnenden Abgrund im Rücken hatten.
»Wir haben uns viel zu lange nicht gesehen, Par’chin «, sagte Jardir, als die Nordländer sich näherten. Im Sonnenlicht konnte er nicht in das Herz des Par’chin hineinschauen, aber er spürte die Kraft in seinem ajin’pal , die gebändigt wurde von der Willensstärke eines sharusahk -Meisters. Der Sohn des Jeph trug einen schönen, mit Siegeln versehenen Speer, aber er bestand aus einfachem Holz und Stahl, ohne die dem Speer des Kaji innewohnende Macht zu besitzen. »Du siehst gut aus.«
»Das habe ich nicht dir zu verdanken«, erwiderte der Par’chin , »und selbst tausend Jahre wären noch eine zu kurze Zeit, um dein Gesicht wieder erblicken zu müssen.« Er spuckte Jardir vor die Füße. Bei dieser Beleidigung machte sich Anspannung in Jardirs Gefolge breit.
Jardir streckte einen Arm aus, um seine Leute zurückzuhalten, und sah Jayan warnend an, den Hitzköpfigsten der Gruppe. »Ihr seid als Zeugen hier, und nicht, um am Kampf teilzunehmen.«
Er wandte sich wieder dem Par’chin zu, während er vorgab, die Spucke auf seinem Stiefel nicht zu sehen. »Du erinnerst dich sicher an meine Jiwah Ka , und an Abban, Damaji Ashan und Shanjat.« Dann deutete er auf seine restlichen Begleiter. »Das sind Damaji Aleverak vom Stamm der Majah und meine Söhne Jayan und Asome.«
Der Par’chin nickte. Er wandte sich der Frau an seiner rechten Seite zu, deren spärliche Bekleidung genug Haut enthüllte, um selbst Inevera züchtig aussehen zu lassen. Sie war genauso mit auf die Haut gemalten Siegeln übersät wie er. Ihre Augen blickten wild, und sie besaß nicht die Selbstbeherrschung des Par’chin . Mit unverhohlenem Hass starrte sie ihn an. »Das sind meine Frau, Renna, und Seine Hoheit Graf Thamos von der Talgrafschaft, der Bruder des Herzogs Rhinebeck von Fort Angiers. Ich glaube, die anderen kennst du.«
Jardir nickte.
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