Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Flammen der Dunkelheit

Die Flammen der Dunkelheit

Titel: Die Flammen der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyne Okonnek
Vom Netzwerk:
die Erde fallen. Wenn er nur weit genug käme, ohne dass ihn jemand einholte, würde der Schnee seine Spuren verdecken.
    Nach einigen Meilen verließ er das Flussufer und hielt sich ostwärts. Die Landschaft wurde flacher und er konnte weit über die Felder sehen. Links von ihm tauchten plötzlich Lichtpünktchen in der Ferne auf, eines nach dem anderen. Da sie sich nicht bewegten, musste es sich um ein Dorf handeln. Vermutlich waren die Bewohner von den Soldaten aus dem Schlaf gerissen worden. Das bedeutete, sie hatten seine Spur fürs Erste verloren und waren nicht mehr direkt hinter ihm. Aber er machte sich wenig Hoffnung, dass dies so bleiben würde, es war nur ein Aufschub, mehr nicht. Die Fährtensucher der königlichen Armee waren hartnäckig und wussten, dass es von der Insel kein Entkommen gab. Sie würden unaufhörlich nach ihm fahnden und möglicherweise aus Zufall auf ihr Versteck stoßen. Das musste er verhindern, noch waren sie nicht stark genug, einen Sieg zu erringen. Es war sein Fehler gewesen, sich entdecken zu lassen. Auch ohne einen Befehl von Aithreo wusste er, dass er den Preis dafür zahlen musste. Sobald das Kind in Sicherheit war, würde er sich den Soldaten stellen – und zwar auf eine ganz bestimmte Weise, um Gewissheit zu haben, dass sie ihn auf der Stelle töteten. Niemals durfte er ihnen lebend in die Hände fallen, damit er nicht Gefahr lief, unter Folter alles zu verraten. Eigentlich war er überzeugt davon, dass ihn keiner zum Reden zwingen konnte. Aber Aithreo behauptete, jeder hätte einen schwachen Punkt, und ließ alle seine Gefährten einen Eid ablegen, sich lieber zu opfern als ein Risiko einzugehen. Bald war es an der Zeit, dieses Versprechen einzulösen, das spürte Cleas deutlich.
    Als er das nächste Mal nach den Lichtpünktchen Ausschau hielt, hatte sich eines von ihnen vergrößert. Hell flackerte sein Schein in der Dunkelheit. Das konnte nur zweierlei bedeuten. Entweder hatten die Soldaten einen Hof angezündet oder einen Scheiterhaufen errichtet für irgendeinen armen Mischling, den sie bei ihrer Jagd entdeckt hatten. Hier auf dem Land gab es im Gegensatz zur Stadt bis heute Menschen mit zweifarbigem Blut, die die jahrhundertelange Verfolgung überlebt hatten. Die Bauern kümmerte immer der praktische Nutzen und der Königshof war weit weg. Solange einer größere Körperkräfte besaß, die bei der Arbeit auf den Feldern hilfreich waren, oder besonders gut mit Tieren umgehen konnte, würden sie ihm Unterschlupf gewähren, zumindest wenn seine Augen menschlich aussahen. Cleas lächelte bitter. Als ob nur die Augen jemanden zum Dämon machten! Allerdings schien sogar Aithreo daran zu glauben und außer Cleas stellte das keiner von seinen Anhängern infrage. Doch im Moment hatte er andere Sorgen, denn eine große Anzahl winzigster Lichtpünktchen bewegte sich vom Dorf weg in seine Richtung. Die Soldaten hatten sich mit Fackeln ausgerüstet. Er wusste nicht, was sie damit bezweckten, aber vorsichtshalber drehte er ab und flüchtete zum Fluss zurück. Dort hatten sich Nebelbänke gebildet, das konnte ein Vorteil sein, da sie ihm Deckung boten. Andererseits war dadurch seine Sicht behindert. Aber das würde keine große Rolle spielen, denn er fühlte sich zusehends schlechter. Er versuchte dem Geräusch des fließenden Wassers zu folgen. Lange würde er nicht mehr durchhalten, er musste sich beeilen. Hastig stolperte er vorwärts. Seine Füße verfingen sich öfter in Grasbüscheln. Inständig hoffte er, einen Sturz zu vermeiden, er durfte das Kind nicht gefährden! Das Kind, das Kind, sang es in seinen Ohren. Schon längst hätte er den Wald erreichen müssen. Cleas’ Unruhe wuchs. Immer weniger konnte er unterscheiden, ob der Nebel aus dem Fluss aufstieg oder sich nur in seinem Kopf befand. Beinahe glaubte er, bei der Flucht aus dem Dorf in die falsche Richtung gelaufen zu sein, da hatte er wieder eine der Nebelbänke durchquert und sah plötzlich eine dunkle Silhouette vor sich aufragen. Es war also das Rauschen des Windes in den Baumwipfeln und nicht das des Blutes in seinen Adern, welches er seit einiger Zeit neben dem Plätschern des Bachlaufs vernommen hatte. Cleas schöpfte neuen Mut.
    Sobald er das schützende Unterholz erreichte, fühlte er sich sicherer. Hier würden die Reiter nur schwer durchkommen. Doch auch er selbst hatte zunehmend Mühe, sich durch die dicht stehenden Büsche zu zwängen. Mit einer Hand schob er Äste und dornbewehrte Ranken beiseite, mit

Weitere Kostenlose Bücher