Die Flammende
die Raubtiere. Es verging keine Woche, in der Larch nicht irgendeinen Angriff abwehren musste. Berglöwen, Bären, Wölfe. Riesige Vögel, Greifvögel, deren Spannweite doppelt so breit war wie ein Mann groÃ. Einige der Tiere verteidigten ihr Revier, alle waren bösartig, und sobald der Winter unbarmherzig über Larch und Immiker hereinbrach, waren alle hungrig. Das Pferd verloren sie eines Tages an zwei Berglöwen.
Nachts wärmte Larch den Jungen unter seinem Mantel im Innern des dornigen Unterschlupfs, den er aus Ãsten und Gestrüpp gebaut hatte, und lauschte auf das Geheul, die losgetretenen Steine am Abhang, das Gekreisch, das bedeutete, dass ein Tier ihre Witterung aufgenommen hatte. Beim ersten verräterischen Geräusch schnallte er den schlafenden Jungen in der Trage vor seine Brust. Er entzündete eine Fackel, so hell, wie sein Brennstoffvorrat es erlaubte, und stellte sich vor den Unterschlupf, um den Angriff mit Feuer und Schwert abzuwehren. Manchmal stand er stundenlang dort. Larch bekam nicht viel Schlaf.
Er aà auch nicht viel.
»Du wirst noch krank, wenn du weiter so viel isst«, sagte Immiker zu Larch, als sie vor ihrem kärglichen Abendessen aus zähem Wolfsfleisch und Wasser saÃen.
Larch hörte augenblicklich auf zu kauen, denn wenn er krank würde, könnte er den Jungen nicht verteidigen. Er reichte ihm den gröÃten Teil seiner Portion. »Danke für die Warnung, mein Sohn.«
Sie aÃen eine Weile schweigend weiter und Immiker verschlang Larchs Essen. »Könnten wir nicht höher in die Berge steigen und sie überqueren?«, fragte Immiker.
Larch blickte in die unterschiedlichen Augen des Jungen. »Meinst du, dass wir das tun sollten?«
Immiker zuckte seine schmalen Schultern. »Wäre es möglich, lebendig auf die andere Seite zu gelangen?«
»Was glaubst du?«, fragte Larch, dann schüttelte er über seine Frage den Kopf. Das Kind war erst drei Jahre alt und wusste nichts davon, wie man Gebirge überquerte. Es war ein Zeichen für Larchs Erschöpfung, dass er so oft und so verzweifelt nach der Meinung seines Sohnes fragte.
»Wir würden es nicht überleben«, sagte Larch mit fester Stimme. »Ich habe noch nie von jemandem gehört, dem es gelungen wäre, über das Gebirge nach Osten zu gelangen, weder hier noch in Estill oder Nander. Ich weià nichts über das Land jenseits der sieben Königreiche, abgesehen von den haarsträubenden Geschichten, die die Leute im Osten über regenbogenfarbene Ungeheuer und unterirdische Labyrinthe erzählen.«
»Dann musst du mich wieder hinunter in die Hügel bringen, Vater, und mich verstecken. Du musst mich beschützen.«
Larchs Verstand war benebelt, erschöpft, hungrig und wurde von nur einem einzigen Blitz aus Klarheit durchzuckt: seiner Entschlossenheit zu tun, was Immiker sagte.
Es schneite, als Larch vorsichtig einen steilen Hang hinabging. Der Junge war unter seinem Mantel festgeschnallt. Larchs Schwert, sein Bogen und die Pfeile, einige Decken und gebündelte Fleischstücke hingen ihm auf dem Rücken. Als der groÃe braune Greifvogel über einem entfernten Gebirgskamm auftauchte, griff Larch müde nach seinem Bogen. Aber der Vogel stürzte so schnell auf sie zu, dass er schon einen Augenblick später zu nah herangekommen war â es war unmöglich, noch auf ihn zu schieÃen. Larch stolperte von dem Tier weg, stürzte und merkte, wie er den Hang hinabrutschte. Er verschränkte die Arme vor dem Körper, um das Kind abzuschirmen, dessen Schreie das Gekreisch des Vogels übertönten: »Beschütze mich, Vater! Du musst mich beschützen!«
Plötzlich gab der Hang unter Larchs Rücken nach und sie fielen durch Dunkelheit. Eine Lawine, dachte Larch benommen, in dessen Körper jeder Nerv darauf konzentriert war, das Kind unter seinem Mantel zu behüten. Seine Schulter stieà an etwas Spitzes und Larch spürte reiÃendes Fleisch und Nässe, Wärme. Eigenartig, so abwärtszustürzen. Der Sturz war berauschend, schwindelerregend, als fiele Larch senkrecht, im freien Fall; und kurz bevor er das Bewusstsein verlor, fragte er sich, ob sie wohl durch den Berg zum Grund der Erde fielen.
Larch schrak hoch und hatte nur einen verzweifelten Gedanken: Immiker. Der Körper des Jungen berührte seinen nicht und die Gurte hingen leer vor seiner Brust. Wimmernd
Weitere Kostenlose Bücher