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Die Flammende

Die Flammende

Titel: Die Flammende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Kristin; Diestelmeier Cashore
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tastete Larch mit den Händen umher. Es war dunkel. Der Untergrund, auf dem er lag, war hart und glatt, wie glitschiges Eis. Er bewegte sich, um seine Reichweite zu vergrößern, und schrie unvermittelt auf, als Schmerz seine Schulter und seinen Kopf durchzuckte. Übelkeit stieg in ihm auf. Er kämpfte dagegen an und blieb still liegen. Dabei weinte er hilflos vor sich hin und stöhnte den Namen des Jungen.
    Â»Vater«, sagte Immikers Stimme ganz nah neben ihm. »Hör auf zu weinen und steh auf.«
    Larchs Weinen verwandelte sich in Schluchzer der Erleichterung.
    Â»Steh auf, Vater. Ich habe mich umgesehen. Da vorne ist ein Tunnel und wir müssen weiter.«
    Â»Bist du verletzt?«
    Â»Mir ist kalt und ich habe Hunger. Steh auf.«
    Larch versuchte den Kopf zu heben und schrie auf, verlor beinahe das Bewusstsein. »Es hat keinen Zweck. Die Schmerzen sind zu stark.«
    Â»Die Schmerzen sind nicht so stark, dass du nicht aufstehen kannst«, sagte Immiker, und als Larch es erneut versuchte, stellte er fest, dass der Junge Recht hatte. Es tat entsetzlich weh und er übergab sich ein- oder zweimal, aber es war nicht so schlimm, dass er sich nicht auf die Knie und seinen unverletzten Arm stützen und über den eisigen Untergrund hinter seinem Sohn herkriechen konnte.
    Â»Wo …«, keuchte er, dann brach er seine Frage ab. Sprechen war zu anstrengend.
    Â»Wir sind durch eine Felsspalte gestürzt«, sagte Immiker. »Wir sind gerutscht. Da vorne ist ein Tunnel.«
    Larch verstand es nicht und die Vorwärtsbewegung kostete ihn so viel Kraft, dass er den Versuch, es zu verstehen, aufgab. Der Weg war rutschig und es ging bergab. Dort, wo sie hinkrochen, war es etwas dunkler als dort, wo sie herkamen. Der kleine Umriss seines Sohnes huschte vor ihm den Hang hinunter.
    Â»Hier ist eine Stufe«, sagte Immiker, aber Larch war so langsam von Begriff, dass er bereits fiel, bevor er verstanden hatte, und kopfüber einen kleinen Felsvorsprung hinunterstürzte. Er landete auf seiner verletzten Schulter und verlor einen Augenblick das Bewusstsein. Von einem kalten Luftstrom und einem modrigen Geruch, der ihm Kopfschmerzen verursachte, wachte er auf. Er lag in einem engen Spalt, eingeklemmt zwischen nah zusammenstehenden Wänden. Er versuchte zu fragen, ob sein Sturz den Jungen verletzt hatte, bekam aber nur ein Stöhnen heraus.
    Â»Wo lang?«, fragte Immikers Stimme.
    Larch wusste nicht, was er meinte, und stöhnte erneut.
    Immikers Stimme klang müde und ungeduldig. »Ich hab dir doch gesagt, dass das hier ein Tunnel ist. Ich habe mich zu beiden Seiten an der Wand entlanggetastet. Entscheide dich für eine Richtung. Bring mich hier raus.«
    In beide Richtungen war es gleich düster, gleich muffig, aber Larch musste sich entscheiden, wenn der Junge das für das Beste hielt. Er bewegte sich vorsichtig. Sein Kopf tat weniger weh, wenn der Luftzug von vorne kam, als wenn er ihm den Rücken zukehrte. Das gab den Ausschlag. Sie würden auf die Quelle des Luftzugs zugehen.
    Und so traten Larch und Immiker nach vier Tagen Bluten, Stolpern und Hungern, nach vier Tagen, in denen Immiker Larch immer wieder daran erinnerte, dass es ihm gut genug ging, um in Bewegung zu bleiben, aus dem Tunnel hinaus. Nicht in das Licht des Vorgebirges von Monsea, sondern in das eines fremden Landes auf der anderen Seite des Gebirges. Ein östliches Land, von dem keiner von ihnen mehr gehört hatte als törichte Geschichten, die in Monsea beim Abendessen erzählt wurden – Geschichten von regenbogenfarbenen Ungeheuern und unterirdischen Labyrinthen.
    Larch fragte sich manchmal, ob an jenem Tag, als er durch den Berg gefallen war, ein Schlag auf den Kopf sein Gehirn geschädigt hatte. Je mehr Zeit er in diesem neuen Land verbrachte, desto stärker kämpfte er gegen den Nebel an, der über den Rändern seines Verstands schwebte. Die Leute hier sprachen anders und die fremden Wörter und Klänge bereiteten Larch Schwierigkeiten. Er war auf Immiker als Übersetzer angewiesen. Mit der Zeit war er bei immer mehr Dingen auf Immikers Erklärungen angewiesen.
    Dieses Land, die Dells, war bergig, stürmisch und rau. In den Dells lebten verwandte Arten der Tiere, die Larch aus Monsea kannte – normale Tiere, deren Aussehen und Verhalten Larch verstand und wiedererkannte. Aber in den Dells lebten auch farbenprächtige, erstaunliche Wesen, die das

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