Die Flammenfrau
leise. Sie wünschte sich sehnlichst, daß der Ritter zu ihr käme, um sie in seine Arme zu schließen.
Das Flackern der Flammen wurde gieriger. Luovana fühlte, wie das Feuer wärmer wurde, und schaute gebannt auf das züngelnde Orangerot. Ein seltsames Bild entstand in ihrem Kopf. Es schimmerte zuerst wie Mondlicht, das durch lange Baumschatten fiel. Dann wurde es klarer: Sie erkannte deutlich einen Fluß, einen breiten dunklen Strom, auf dem sich das Mondlicht kräuselte. Sie sah einen Mann am Ufer stehen. Er trug eine leblose Frau in einem weißen Gewand auf dem Armen. Er weinte. Nur langsam löste er sich aus seiner Starre und ging vorsichtig mit der Toten in das Wasser. Er drückte die zarte Frauengestalt immer wieder an sich und küßte sie, als könne er sie damit ins Leben zurückholen. Als er bis zu den Hüften im Wasser stand, schrie er verzweifelt auf und schaute mit schmerzverzerrtem Gesicht hinauf zum Mond. Endlich gab er die Tote frei, ließ sie sanft in die Tiefe hinabgleiten, und der Fluß nahm sie mit sich fort. Gleich darauf schrie der Mann wieder auf, versuchte noch nach der Frau zu greifen, doch es war zu spät.
Luovana löste den Blick von den Flammen und wandte sich um. Erschöpft griff sie sich an die Schläfen. Ihr Kopf brannte, und ein wilder Schmerz bohrte sich ihr ins Herz. Solch traurige Bilder hatte sie noch nie gesehen, sie konnte es sich nicht erklären, doch plötzlich wußte sie, was diese Bilder bedeuteten. Bruno von Falkenstein hatte seine Geliebte verloren, ihn hatte sie dort am Fluß gesehen. Sie schauderte vor diesem Schmerz. Wenn er doch nur zu ihr käme, dachte sie.
Sie griff nach dem silbernen Kelch, der unweit von ihr auf dem Tisch stand. Ein süßer schwerer Geruch stieg ihr entgegen und belebte ihre Sinne. Wein, dachte sie, so rot wie das Blut, das Lursa trank, wenn sie der Göttin opferte. Einzig durch das Feuer ließe sich der wesentliche Unterschied feststellen. Der Wein würde schimmern, hielte man ihn in einem Kristallgefäß vor die Flammen, das Blut aber bliebe bei der Berührung mit dem warmen Licht dunkel und schwer.
Luovana stellte den Becher wieder ab und ging zum Fenster hinüber. Der brennende Lavaring, der ihre Burg umschloß, warf sein leuchtendes Schimmern gen Himmel und schützte sie vor den dunklen Mächten, vor der Kälte und dem Schnee. Lursa besaß diesen Schutz nicht mehr. Sie hauste mit Pyros, dem Adler, draußen in den Bergen irgendwo in einer Höhle. Verlassen von der Weisheit des Lichtes lebte sie mit den Schatten, mit Kälte und Tod. Dennoch war Lursa ihr manchmal sehr nahe. Dann hörte Luovana plötzlich wieder das laute, helle Kinderlachen der älteren Schwester, wenn sie gemeinsam über die langen Flure der Burg gelaufen waren. Lursa hatte diese Wettrennen zumeist gewonnen. Sie war die Stärkere, und sie war wunderschön. Luovana hatte sie um ihre Kraft beneidet und darum, wie schnell sie die Magie lernte, fast so, als sei auch das nur ein Spiel für sie. Niemand hatte je daran gezweifelt, daß Lursa nach dem Tode ihrer Mutter die Hüterin des Feuers werden würde. Sie war die Auserwählte!
Dann war alles ganz anders gekommen. An einem finsteren Tag, an dem die Sonne nicht aufzugehen schien, hatten die Priesterinnen des alten Volkes Lursa eine Prüfung gesandt. Luovana wußte nicht genau, was draußen in den schwarzen Bergen geschehen war. Sie erinnerte sich nur an einen rotgoldenen Feuerball, der das graue Licht zerriß und leuchtend in den Himmel gefahren war. Sie hatte ihn von diesem Fenster aus gesehen, und dann waren die Priesterinnen zu ihr gekommen.
Luovana seufzte und ging zurück zum Kamin. Die Göttin bedachte die Frauen oft mit unerklärlichen Prüfungen. Sie schickte ihnen Aufgaben, deren Sinn sich nicht erklären ließ.
Die Gwenyar hatten ihr den Rubin gegeben und erklärt, daß Lursa nun nicht mehr in die Burg zurückkäme, daß ihr Weg ein anderer sei, den sie draußen in den Bergen allein gehen mußte. Luovana war bestürzt und traurig gewesen, so rasch nach dem Tod der Mutter auch ihre Schwester zu verlieren. Sie fühlte sich verlassen und hilflos. Doch die Priesterinnen blieben eine Weile bei ihr und brachten ihr bei, was sie als Hüterin des Feuers wissen mußte. Sie lehrten sie, der Göttin zu dienen, lehrten sie die alten Mythen und Riten von der Liebe, dem Glanz und des Feuers. Sie übten mit ihr Bogenschießen und versuchten auch, ihr die Kraft der Magie zu vermitteln. Aber Luovana war nicht wie Lursa, die schon
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