Die Flammenfrau
als junges Mädchen Ewigkeiten damit zubrachte, kleine Gegenstände mittels ihrer Gedanken bewegen zu können. Magie war noch nie ihre Stärke gewesen. Sie hielt nichts davon, andere Menschen durch eine geheimnisvollen Macht zu beeinflussen. Es lag eine Verlockung darin, die sie fürchtete, weil sie sich eingestehen mußte, daß ihr selbst nicht gerade wohl bei dem Gedanken war, von einem anderen verzaubert zu werden.
Luovana griff wieder nach dem silbernen Kelch und betrachtete den dunklen Wein darin. Lursa hatte ihre Prüfung nicht bestanden. Luovana wußte, daß die Priesterinnen auch ihr eines Tages eine schwere Aufgabe stellen würden. Dann mußte sie beweisen, ob sie würdig war, den Rubin zu tragen.
Aber der Weg des Lichtes und der Weg der Dunkelheit waren nicht weiter voneinander entfernt, als eine Dolchklinge breit war, denn in beiden Wegen lebte dieselbe Macht.
»Darf ich eintreten?« Bruno schaute auf die Frau am Fenster. Sie stand dort, tief in Gedanken versunken in einem roten Samtkleid, das ihre schmale Gestalt unterstrich. An einem langen Lederriemen hing ein Rubin von der Größe eines Hühnereis, und in den Händen hielt sie einen silbernen Becher.
Luovana hob überrascht die Augen und nickte freundlich.
Bruno trat näher, ohne den Blick von ihr wenden zu können. Ihre roten Haare, die bisher sorgsam unter der großen Kapuze ihres Umhangs verborgen waren, fielen nun in wilden Locken über ihre Schultern, daß es ihm den Atem verschlug. Edle Frauen von Stand hatten ihre Haare zu bändigen und wenn nötig mit einem Schleier zu bedecken. Luovana verstieß gegen viele Sitten, wenn sie ihn allein mit einem Blick und einer wilden ungezähmten Lockenpracht aus der Fassung brachte. Sie ist so anders als Genovefa, dachte er. So voller Kraft und Tatendrang, wie er es nie zuvor bei einer Frau gesehen hatte. Es reizte ihn, in ihrer Nähe zu sein, und doch war sie ihm auch unheimlich.
»Das ist also die Flammenburg«, sagte Bruno. Ihr schweigend gegenüberzustehen verwirrte ihn. Er war aber auch kein Knappe mehr, der sich von seiner eigenen Unbeherrschtheit hinreißen ließ. »Und diese Burg ist wirklich ganz und gar von dem Lavastrom umgeben?«
»Ja, es ist ein Ringkrater. Das ganze Gebirge ist von dem Vulkan durchzogen. Er schützt uns vor…« Luovana hielt inne und fuhr dann zögernd fort. »Nun, wir haben gelernt, ihn zu lieben.«
Bruno nickte und nahm den silbernen Kelch, den sie ihm reichte. »Ihr trinkt roten Wein?« fragte er erstaunt, als er gekostet hatte. »Woher habt ihr ein solch edles Getränk?«
»Eines unserer Schiffe brachte drei Fässer von seiner letzten Fahrt mit.«
Bruno nickte und nahm noch einen tiefen Schluck. Der Wein war warm, er hatte einen vollen runden Geschmack, der schwer auf seiner Zunge lag. Lange hatte ihm niemand mehr eine solche Kostbarkeit gereicht.
»Verzeiht, aber werden wir die Ehre haben, die Hüterin des Feuers kennenzulernen? Eine Dienerin, die mich in mein Zimmer führte, sprach davon, daß die Herrin dieser Burg die Hüterin des Feuers genannt wird. Ich würde Ihr gerne meine Aufwartung machen und Ihr mein Schwert anbieten, auf daß sie darüber verfügen möge.«
»Ihr wollt die Hüterin des Feuers kennenlernen?« Luovana machte eine schwungvolle Verbeugung. »Ich bin die Hüterin und nehme Euer Angebot, über Euer Schwert zu verfügen, gerne an.«
Bruno hob erstaunt die Brauen.
»Was überrascht Euch daran?«
»Nun, ich hatte mir Euch nicht so vorgestellt. Verzeiht, ich dachte…« Bruno brach irritiert ab.
»Die Hüterin des Feuers regiert das Volk nicht, sondern sie lebt inmitten des Feuers, um der Göttin und den Menschen zu dienen.«
Bruno nippte wieder an dem silbernen Kelch. Der Wein war wirklich vorzüglich.
»Dann regiert Euer Gemahl, der König?«
»Nein, es gibt hier keinen Gemahl. Die Hüterin des Feuers erwählt sich einen Mann, der ihr gefällt. Aber ein Mann könnte niemals Wächter des Feuers werden.«
Bruno rang plötzlich nach Luft. Er spürte, wie der schwere Wein schon seine Sinne betäubte. »Dann ist das also Eure Burg?« keuchte er.
»Wenn Ihr so wollt, ist es meine Burg. Obwohl ich eher sagen würde, dieser Ort ist die Heimat des Feuers, und ich lebe in seiner Mitte.« Luovana lächelte.
Bruno fühlte ihren Blick auf sich. Insgeheim sehnte er sich nach den sittsamen Frauen seiner Heimat. Die Damen dort schlugen stets die Augen nieder, wenn ihnen ein Mann begegnete. Sie ließen sich verehren, sie lächelten sanft,
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