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Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Titel: Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Powelz
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Marius Stamm.
    Lächelnd sah Minnie ihn an. „Weil es eine, so habe ich sie für mich getauft, weil es eine Trippelkatze ist – ein Tier, das sich nicht entscheiden kann, ob es kommen soll oder gehen.“
    „Sie meinen, eine Katze, die gern möchte, aber es sich im letzten Moment anders überlegt?“ Marius nickte verständnisvoll. „Ja, solche Katzenfrauen habe ich auch kennengelernt in meinem Leben. Es sind eigenartige Wesen – und meistens haben sie schöne Augen. Mir persönlich gefällt der kleine Pluto allerdings besser.“
    „Pluto?“ Minnie ging in sich. „Einen Pluto gibt es hier nicht! Meinen Sie vielleicht Nepomuk?“
    „Genau, die Katze mit der Batman-Kappe“, antwortete Marius. „Für mich sieht er aus wie ein Pluto . Denn ich mache mir – widde widde – die Welt, wie sie mir gefällt. Und dazu gehört, dass man Dinge manchmal umbenennen muss.“
    Sein Blick fand Minnies, und plötzlich stieg eine vergessene Wärme in ihr auf.
    „Katzen!“ Marisabel Prinz empörte sich zischend. „Ich verstehe nicht, warum Katzen in diesem Haus überhaupt erlaubt sind. Schließlich legt die Hauswirtschafterin so viel Wert auf Hygiene. Und wie allgemein bekannt ist, übertragen Katzen Toxoplasmose. Das kann der Tod sein für eine Krebspatientin mit einem geschwächtem Immunsystem.“
    „Eine Krebspatientin mit einem geschwächten Immunsystem könnte auch von der Treppe fallen und sich das Genick brechen“, entgegnete Marius sanft. „Oder auf der Parkbank ausgeraubt und brutal zusammengeschlagen werden…“
    Marisabel ließ das nicht gelten. „Soll ich Ihnen mal verraten, was dieser Pflege-Bruno zu mir gesagt hat, als ich ihn bat, die Katzen aus dem Flur zu entfernen? Er meinte bloß, dass nicht immer alles nach Schema F verlaufen müsse. Und dass es im Haus früher noch viel Revoluzzer-mäßiger zugegangen sei, ohne Bürokratie und Pillenpläne. Die Katzen seien eine Erinnerung daran. Wenn Sie mich fragen, ist das dreist.“
    Schmollend verschränkte die Hundezüchterin ihre Arme.
    Geschickt lenkte Marius das Thema in eine andere Richtung und wandte sich Minnie zu.
    „Sind Sie heute eingezogen? Dann zeige ich Ihnen gern alles. Hier gibt es ja so viel zu sehen – ich meine, ringsherum, im Leben…“
    Minnie war verdutzt. „Ich wohne hier schon seit über zehn Tagen. Zwischenzeitlich war ich allerdings im Krankenhaus.“
    Der Charmeur rollte mit den Augen. „Das kann und will mein Herz nicht glauben. Sie sehen aus wie das blühende Leben!“
    Neben Minnie ertönte ein Seufzen. „Dass Sie sich da mal nichts vormachen, Marius“, bemerkte die Hundezüchterin. „Kurz vor dem Ende soll es immer bergauf gehen. Das merke ich an mir selbst. Sie hätten mich mal sehen sollen, als ich hier einzog! An meine erste Woche in Haus Holle erinnere ich mich nur noch so nebulös, als hätte ich unter einem Schleier gelegen. Bis ihn plötzlich jemand fortgezogen zu haben schien. Einfach so…“ Mit einem Ruck fuhr die Hand der Hundezüchterin durch die Luft, und sie lächelte nachdenklich. „Als der Schleier fort war, dachte ich Du bist nicht innerhalb der ersten Woche gestorben, also kannst Du auch noch länger leben .“
    „Weshalb sind Sie hier?“, fragte Minnie Marius.
    „Um es mir richtig gut gehen zu lassen“, antwortete der alte Herr. „Falls Sie wissen möchten, warum ich ausgerechnet hier das Leben genieße, lautet die Antwort, wegen einer Hautkrebserkrankung – einem so genannten Melanom. Es wächst in meinem unteren Augenlid. Schon einmal davon gehört?“
    Minnie bejahte.
    „Daran leide ich schon seit zwei Jahren. Am 1. November des letzten Jahres habe ich meinen 80. Geburtstag im Kreise meiner Familie gefeiert“, verriet ihr Marius. „Aber keinen meiner Söhne, Schwiegertöchter, Nichten, Neffen, Enkel oder Enkelinnen hat es interessiert, warum ich statt Geschenken um Geldspenden für Haus Holle bat. Dabei hätte ich eine gute Erklärung parat gehabt: Ich spielte damals schon mit dem Gedanken, demnächst in dieses Hospiz zu ziehen. Zwar wussten alle, dass ich erkrankt bin, aber über die aus der Sicht meiner vielbeschäftigten Familie schreckliche Krankheit wollte lieber niemand etwas Genaueres wissen. Also wurde das Thema von allen totgeschwiegen. Und nun…“, er lächelte süffisant, „nun bin ich hier!“
    „Sie sehen kein bisschen krank aus“, sagte Marisabel. „Aber Ihre Familie sollte sich schämen!“
    „Das sehe ich ganz anders“, entgegnete der betagte Herr. „Mir geht es

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