Die Flotte von Charis - 4
machen.«
»Solange Ihnen beiden Folgendes nur bewusst ist, Mein Lord«, ergriff nun wieder Cayleb das Wort. Pine Hollow schaute ihn an, und nun wirkte der Blick des Königs von Charis streng und unnachgiebig. »Erstens: Es wird keine zweite Gelegenheit geben. Solange Prinz Nahrmahn uns die Treue hält, werden wir auch ihm die Treue halten. Doch sollte er sich als treulos erweisen, wird es beim nächsten Mal keinerlei Großzügigkeit und auch keinerlei Gnade mehr geben.«
»Das verstehe ich, Euer Majestät«, entgegnete Pine Hollow leise.
»Dann versteht auch diesen zweiten Punkt sehr wohl, Mein Lord: Mit diesen Bedingungen, mit dieser Eheschließung, werden wir die Feindseligkeiten zwischen dem Hause Ahrmahk und dem Hause Baytz beenden. Doch damit wird Ihr Prinz − ebenso wie Königin Sharleyan und ich selbst − der ›Vierer-Gruppe‹ persönlich den Krieg erklären, dem Rat der Vikare und dem Großvikar selbst − und es ist eine Kriegserklärung unserer Häuser, nicht nur unserer Reiche. Ein Zurück wird es nicht geben, Graf Pine Hollow. Diese Entscheidung, diese Kriegserklärung, ist immerwährend. Sie kann nur zum Sieg oder zur vollständigen Zerstörung führen, und ich rate Ihnen und Ihrem Prinzen an, ausgiebig und gründlich darüber nachzudenken, welchen Tod der Großinquisitor Erayk Dynnys hat erleiden lassen. Das ist das Schicksal, das einen jeden Feind des Tempels erwartet, so er in die Hände des Tempels gerät.«
»Auch das verstehe ich, Euer Majestät«, gab Pine Hollow noch leiser zurück, blickte Cayleb dabei aber fest in die Augen. »Tatsächlich hat Prinz Nahrmahn ziemlich genau das Gleiche zu mir gesagt. Ich werde nicht vorgeben, darüber glücklich zu sein, und ich werde auch nicht behaupten, die Vorstellung, die Hand gegen Mutter Kirche zu erheben − ganz zu schweigen vom Schwert −, erfülle mich nicht mit Bestürzung. Ich bin ein Sohn von Mutter Kirche, und stets war mein einziges Bestreben, ihr die Treue zu halten. Doch wie kann ein Mann mit Gewissen jemandem die Treue halten, der, wie mein Prinz es einmal ausgedrückt hat, ›unser Fürstentum wie einen Straßenräuber zu sich gepfiffen und uns geheißen hat, einem unschuldigen Mann die Kehle durchzuschneiden‹?«
»Eine berechtigte Frage, Mein Lord«, sagte Sharleyan leise. »Doch ach, es gibt jene, die darauf beharren, der Gehorsam Gottes Kirche gegenüber erfordere es auch, selbst in derartige Dinge einzuwilligen, so sie denn von Männern befohlen werden, die das Orange tragen.«
»Ein solcher Mann war auch ich, Eure Majestät«, gestand Pine Hollow. »Und ein winziger Teil meiner Seele sehnt sich danach, ich sei es immer noch. Mein Herz vermisst diese Gewissheit. Doch wie Erzbischof Maikels Schreiben schmerzlich deutlich gemacht hat, gibt es tatsächlich einen Unterschied zwischen Gott selbst und den Erzengeln einerseits und den sterblichen, korrupten und verderbten Männern andererseits, die für sich in Anspruch nehmen, in Gottes Namen zu sprechen. Was wir Gott schulden, schulden wir nicht jenen, die all das, was Er ist, bis zur Unkenntlichkeit entstellen, um ihre eigenen Ziele zu erreichen.«
»Wenn das tatsächlich ebenso Prinz Nahrmahns Meinung ist wie Ihre eigene, Mein Lord«, sagte Cayleb, »dann werden Königin Sharleyan und ich ihn von Herzen willkommen heißen. Auch wenn …« − plötzlich lächelte er − »… ich mir sicher bin, dass die ›Vierer-Gruppe‹ für unser aller Herzen bereits irgendetwas geplant hat, wenngleich in etwas anderer Art und Weise, sollten sie jemals die Gelegenheit dazu haben.«
.II.
Kathedrale von Tellesberg, Tellesberg, Königreich Charis
Tropisches Sonnenlicht fiel durch den Buntglas-Lichtgaden der Kathedrale von Tellesberg und ergoss sich auf die reich verzierten Skulpturen und das riesige Mosaik der Erzengel Langhorne und Bedard, das hoch über die Kirchgänger aufragte. Orgelmusik erfüllte die gewaltige Kathedrale seit der Stunde nach Sonnenaufgang fast ohne Unterlass, und hervorragend ausgebildete Chöre, aus allen Teilen des Königreiches Charis zusammengestellt, wechselten sich beständig ab, erhoben die Stimmen zum Lobe, zum Bittgebet und zur Segnung. Die Wände waren mit den weißen Blüten von Bergstacheldorn geschmückt, der traditionellen Hochzeitsblume von Charis; weitere der atemberaubend schönen Blüten waren rings um das Allerheiligste der Kathedrale aufgestapelt und verstreut.
Die meisten Bergstacheldorne blühten in den verschiedensten satten Rottönen, doch
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