Die Flotte von Charis - 4
zum Lachen, Eure Majestät. Und selbst wenn Ihr es nicht wisst, Baron Green Mountain weiß es ganz genau! Möchtet Ihr hören, was der Baron zu mir gesagt hat, bevor wir nach Tellesberg aufgebrochen sind?«
»Eigentlich nicht.« Sie verzog das Gesicht. »Ich nehme an, eine ganze Menge davon hat er auch zu mir gesagt, wenngleich wahrscheinlich mit nicht ganz so viel Nachdruck. Aber wissen Sie, ich glaube, das, was ihn so … missgestimmt hat, war meine Entscheidung, ihn daheim in Cherayth zu lassen.«
»Er war ›missgestimmt‹, ja, Eure Majestät?« Wieder schnaubte Seahamper.
»Unter anderem. Aber schließlich hat er doch zugegeben, dass ich recht hatte − er musste zu Hause bleiben, um alles im Auge behalten zu können.«
»Was Ihr damit meint, Eure Majestät«, sagte Seahamper fast schon grimmig, »das ist, dass er der Einzige ist, dem ihr genug vertraut, um ihn vier oder fünf Monate lang aus den Augen zu lassen.«
»Na ja … ja«, bestätigte Sharleyan.
»Ich glaube, das beunruhigt mich am meisten, Eure Majestät«, gestand Seahamper völlig offen. »Um Eure Sicherheit hier in Charis mache ich mir eigentlich gar keine Sorgen. Hätte ich es darauf angelegt, mir die ganze Zeit über furchtbar den Kopf zu zerbrechen, hätte dieser Captain Athrawes mich mittlerweile längst davon kuriert. In mancherlei Hinsicht ist dieser Mann wirklich noch beeindruckender als alle Geschichten, die über ihn die Runde machen. Aber ich mache mir Sorgen über das, was in Chisholm geschieht, während wir uns hier aufhalten.«
»Um ehrlich zu sein, das ist auch meine größte Sorge.« Erneut blickte sie zum Hafenbecken hinab. »Aber das ist ein Risiko, das wir nun einmal eingehen müssen, und wenigstens weiß ich, dass Mutter und Mahrak alles für mich erledigen, solange ich in Charis bin. Und wo ich schon so ehrlich bin, ich glaube auch, dass Cayleb recht hat. Einer von uns muss als erster längere Zeit im Königreich des anderen verbringen, und angesichts der Entscheidungen, die es zu treffen gilt − und auch, weil selbst noch der begriffsstutzigste Adelige in Cherayth genau wissen muss, dass jetzt, im Augenblick, militärisch gesehen alles mit Charis steht und fällt −, muss ich nun einmal in Charis sein, und nicht etwa Cayleb in Chisholm.«
»Das weiß ich, Eure Majestät.« Seahamper überraschte sie ein wenig mit seiner plötzlichen, tiefen Verneigung. »Ich hoffe nur, Ihr habt recht mit Eurer Einschätzung, der Baron könne zu Hause tatsächlich mit allen Dracheneiern gleichzeitig jonglieren, die wir ihm hinterlassen haben.«
»Ich auch, Edwyrd«, sagte sie leise, und wieder ruhte ihr Blick auf den Galeonen, die so tief unter ihnen vor Anker lagen. »Ich auch.« »Hätten Sie einen Augenblick Zeit, Merlin?«
Die Frage brachte Merlin dazu, sich umzudrehen, und er wunderte sich, als nun Commodore Seamount vor ihm stand. Der doch recht beleibte Offizier (Merlin war zu dem Schluss gekommen, dass Seamount ihn in mancherlei Hinsicht an Prinz Nahrmahn erinnerte) trug einen dicken Aktenordner unter dem linken Arm, und der rechte Ärmel seines Uniform-Kasacks war auffallend mit Kreidestaub beschmutzt − ein sicheres Zeichen dafür, dass er in seinem Büro oberhalb der Haupt-Pulverkammer der Zitadelle gewesen war und Diagramme, Fragen und Notizen an seine schiefergetäfelten Wände gekritzelt hatte.
»Selbstverständlich, Mein Lord.« Merlin deutete eine Verbeugung an, und Seamount schnaubte kurz.
»Im Augenblick schaut uns niemand zu«, merkte er an. Merlin richtete sich wieder auf und hob fragend eine Augenbraue, und Seamount zuckte die Achseln. »Ich weiß diese Höflichkeit natürlich zu schätzen, Seijin Merlin, aber wissen wir beide mit unserer Zeit denn nichts Besseres anzustellen, als sie hier mit Kratzfüßen zu verschwenden?«
»Höflichkeit, Mein Lord, ist niemals verschwendet«, gab Merlin ein wenig kryptisch zurück.
»Das habt Ihr nett ausgedrückt, Seijin.« Noch einen Augenblick länger schaute Merlin ihn nur schweigend an, dann gab er auf.
»Also gut, Mein Lord. Was kann ich heute für Sie tun?«
»Das klingt doch schon viel besser!« Seamount grinste, dann zog er den Ordner unter seinem Arm hervor und wedelte damit vor Merlins Nase herum.
»Ich gehe davon aus, dass sich auch irgendetwas in diesem Ordner befindet?«, fragte Merlin höflich nach.
»Ja doch! Das sind meine neuesten Notizen zum Artillerieprojekt.«
»Ich verstehe.« Merlin verzog die Lippen, dann zupfte er an seinem säuberlich
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