Die Flotte von Charis - 4
Treibladung den vermaledeiten Zünder immer in die Granate hineintreibt und dafür sorgt, dass sie noch im Rohr des Geschützes selbst explodiert!«
»Oh!« Merlin nickte und zupfte sich erneut am Schnurrbart.
Unverkennbar nachdenklich legte er die Stirn in Falten, auch wenn er in Wirklichkeit nicht über das nachdachte, was Seamount wohl gerade vermuten musste. Die Schwierigkeit, mit der er sich hier herumschlagen musste, bestand weniger darin, Seamounts Problem zu lösen, sondern zu verhindern, dass es zu rasch gelöst wurde. Zu leicht durfte es ja auch nicht sein.
»Schauen wir, ob ich das richtig verstanden habe«, sagte er nach längerem Grübeln. »Sie möchten nicht, dass die Schützen diesen Zünder an ihren ›Granaten‹ von Hand in Brand stecken müssen, also haben Sie einen Zünder entwickelt, der im Mündungsfeuer der Treibladung Feuer fängt. Und nach allem, was Sie bislang gesagt haben, gestattet Ihnen dieser Zünder, den Sie da entwickelt haben, die eigentliche Explosion der ›Granate‹ hinreichend genau vorherzubestimmen … wenn es überhaupt funktioniert. Aber wenn das Schießpulver hinter dem Geschoss explodiert, dann stellt dieser Zünder die Schwachstelle dar, und das sorgt dafür, dass die ›Granate‹ zu früh explodiert?«
»Im Prinzip ja.« Seamount zuckte mit den Schultern. »Einige Zeit lang war ich mir nicht sicher, ob die Granate in unmittelbarer Nähe des Zünders aufbricht oder ob der Zünder selbst einfach nur in das Innere der Granate gepresst wird. Ich hatte vermutet, Letzteres sei der Fall. Aber da bislang niemand Erfahrung mit dieser Art Projektil hat, konnte ich natürlich auch nicht die Möglichkeit ausschließen, dass die Granaten, die ich entwickelt habe, vielleicht einfach eine zu dünne Wandung hatten, um die Wucht der Treibladung zu überstehen. Anhand dessen, was nach der Detonation der Granate übrig geblieben ist, ließ sich das nicht mehr herausfinden. Also habe ich ein paar Hundert Granaten mit massiven Pfropfen abgefeuert statt mit Zündern. Der Anteil vorzeitiger Detonationen hat dabei drastisch abgenommen, aber hin und wieder ist so etwas auch bei diesen Geschossen passiert, also habe ich mich erst einmal wieder an meinen Schreibtisch gesetzt und ordentlich nachgedacht.
Letztendlich habe ich dann etwas begriffen: Zu dem Problem trug zumindest bei, dass sich die Schießpulverfüllung im Inneren des Hohlkörpers der Granate ja beim Abschuss bewegt, und die Reibungswärme, die dabei entsteht, löst dann die vorzeitige Detonation aus. Also habe ich versucht, die Lage der Füllung zu stabilisieren, indem ich heißen Teer hinzugegeben habe, um alles an Ort und Stelle zu halten. Ich musste zwar vorsichtig sein, um dabei immer noch einen offenen Kanal beizubehalten, durch den der Zünder auch die Hauptladung erreichen konnte, aber das erwies sich als gar nicht so schwierig.
Nachdem ich also mit dem Teer ein wenig experimentiert habe, gab es keine vorzeitigen Detonationen mehr … solange wir massive Pfropfen verwandten, keine ›einstellbaren‹ Zünder. Das erschien mir ein ziemlich deutlicher Hinweis darauf, dass die Wandung der Granate selbst robust genug war, aber ich wollte mir ganz sicher sein. Also habe ich mehrere Dutzend Granaten mit Mehl gefüllt, nicht mit Schießpulver, habe dann die einstellbaren Zünder eingesetzt und sie in Flachwasser abgefeuert, aus dem Taucher sie wieder bergen konnten. Und als ich diese Blind-Granaten dann untersucht habe, wurde ganz offenkundig, dass der Zünder selbst in die Granate hineingetrieben wurde − oder zumindest tief genug hinein, um die Ladung zu zünden −, dass aber die Wandung der Granaten nicht unter der Belastung des Schusses gebrochen war. Und das bestätigte meine Vermutung über den Grund dieser Fehlzündungen.«
Kurz hielt er inne, und seine Miene verriet, wie er gleichermaßen befriedigt darüber war, dass sich seine Entwicklung zumindest teilweise als praktikabel erwiesen hatte − und dass es ihm gelungen war, eine Technik zu ersinnen, mit der sich das auch beweisen ließ −, wie auch frustriert darüber, dass er nicht in der Lage war, eben das zu korrigieren, was sich als nicht praktikabel erwiesen hatte.
»Das passiert natürlich nicht jedes Mal«, sagte er dann. »Aber es passiert oft genug, und die Schützen dazu zu bringen, sich mit etwas so Neumodischem herumzuschlagen, wird an sich schon schwierig genug sein, selbst wenn sie nicht befürchten müssen, jede einzelne dieser ›Granaten‹ könne
Weitere Kostenlose Bücher