Die Flotte von Charis - 4
gepresst, sodass es in immens rasche Eigenrotation versetzt wird, und so hält es dann auch auf sein Ziel zu.«
Er wandte sich von der Wand ab und lächelte Merlin grimmig an; Merlin erwiderte das Lächeln.
»Das Problem ist nun Folgendes«, fuhr Seamount dann fort, und sein Lächeln schwand wieder. »Zunächst einmal ist Bronze, wie wir von Anfang an erwartet hatten, viel zu weich − vor allem, wenn man dieses System aus Bolzen und Führungen nutzen will. Das Innere der Rohre ist immer schon nach nur wenigen Schüssen völlig ruiniert. Zweitens habe ich bereits festgestellt, dass mit diesem Bolzen-und-Führungen-System der Druck im Rohr selbst gefährlich ansteigt.«
»Was meinen Sie mit ›selbst mit diesem Bolzen-und-Führungen-System‹?«
»Ich hatte schon damit gerechnet, dass der Druck im Rohr drastisch ansteigen würde, als ich mich an dieser Bleiummantelung versucht habe. Schließlich verschloss das Geschoss auf diese Weise den Lauf deutlich dichter, also war es ganz unvermeidbar, dass der Druck anstieg − genau wie bei den Gewehren, als wir da mit Hohlgeschossen angefangen haben. Aber ich hatte doch gehofft, bei diesem Bolzen-System würden rings um das Geschoss noch genügend von den Treibgasen entweichen können − schließlich hat das Geschoss dann einen kleineren Durchmesser als das Rohr selbst. Das ist übrigens«, setzte er hinzu, »einer der Gründe, warum ich mich so darüber ärgere, nicht von selbst darauf gekommen zu sein, dass die brennenden Treibgase den Zünder aktivieren könnten, wenn sie das Geschoss passieren. Wie dem auch sei, ich hatte gehofft, der Spielraum zwischen der Geschosshülse und der Innenwand des Rohres würde ausreichen, um die Gase entweichen zu lassen und so den Druck zu vermindern.«
»Das verstehe ich«, bestätigte Merlin.
»Na ja, ich denke, zumindest für einen Teil der Gase trifft das auch zu«, erklärte Seamount nun. »Bedauerlicherweise aber wohl nicht genug. Und da gibt es noch einen anderen Faktor − den ich ursprünglich auch nicht bedacht hatte. Die Geschosse, die wir für die bereits vorhandenen Glattrohre entwickeln, haben das gleiche Kaliber wie die Kanonenkugeln, die derzeit damit abgefeuert werden, und weil sie eben mit Schießpulver gefüllt sind und nicht aus massivem Eisen bestehen, sind sie deutlich leichter als die Geschosse, die eigentlich für diese Kanonen gedacht sind. Aber in einem Geschütz mit gezogenem Lauf braucht das Geschoss nicht kugelförmig zu sein. Man will ja überhaupt keine Kanonenkugeln dafür. Da eine eher zylindrische Form bei Läufen mit Zügen viel sinnvoller ist, läuft es letztendlich auf langgezogenere Projektile hinaus. Bei einer solchen ›Granate‹ erhält man dann einen größeren Innenraum, das heißt, man kann noch mehr von dem Explosivstoff hineinpacken, und weil das Geschoss nun einmal hohl ist, bleibt das Gesamtgewicht zumindest in gewissem Maße überschaubar gering. Aber bei einem Massivgeschoss stiege das Gewicht eines solchen Projektils natürlich immens an, und selbst mit der Schießpulverfüllung muss eine anständig entwickelte ›Granate‹, die ja nun robust genug sein muss, um die Wucht des Abschusses zu überstehen, ohne dabei gleich zu detonieren, eine so dicke Wandung aufweisen, dass sie immer noch schwerer sein wird als eine gewöhnliche Kanonenkugel für das gleiche Geschütz. Und das größere Eigengewicht bedeutet nun auch, dass die Kanone mehr Leistung erbringen muss, um die Granaten mit der gleichen Geschwindigkeit abzufeuern wie die Kanonenkugeln, und das wiederum steigert den Druck im Rohr noch weiter.«
»Also gut«, sagte Merlin und nickte, um anzuzeigen, dass er den Erläuterungen bislang hatte folgen können.
»Wir könnten Eisenkanonen gießen und dann Züge in die Rohre schneiden lassen«, sagte Seamount. »Andererseits haben wir bereits Hunderte − nein, sogar schon Tausende − dieser neuen Kanonen aus Bronze. Ich bin mir natürlich sicher, dass uns noch etwas einfallen wird, was wir sonst mit der Bronze anfangen könnten, aber es wäre einfach viel zu schade, all diese Kanonen einfach wegzuwerfen − ich meine, sie nicht mehr für die Artillerie nutzen zu können. Das ist das eine Problem. Das andere ist einfach, dass Gusseisen nun einmal brüchiger ist als Bronze. Ich bin mir nicht sicher, dass Grauguss der zusätzlichen Materialbelastung standhalten wird, die sich unweigerlich ergibt, wenn wir uns an gezogene Kanonenrohre mit größerem Kaliber heranwagen. Nicht, ohne
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