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Die Flüchtende

Die Flüchtende

Titel: Die Flüchtende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
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eingenommen, der breit in die Kamera lächelte.
    Unbestätigten Angaben zufolge hat der Mörder den Leib des Opfers aufgeschnitten und innere Organe entnommen. Außerdem soll am Tatort ein religiöses Symbol hinterlegt worden sein. Die Polizei vermutet deshalb, dass es sich um einen Ritualmord handelt.
    «Scheußlich, was?»
    Sibylla sah auf. Der Mann hinter der Kasse nickte in Richtung Zeitung, um deutlich zu machen, was er meinte. Sie nickte.
    «Acht Kronen ... Oder darf es sonst noch was sein?»
    Sie zögerte. Acht Kronen waren viel Geld für ein wenig Papier. Sie zählte die Münzen in ihrer Tasche durch.
    «Petroleum .»
    Der Mann zeigte auf ein Regal, und sie folgte seinem Zeigefinger und holte eine Flasche.
    Nach dem Bezahlen hatte sie noch neunzehn Kronen übrig.
    Hjelm war fort, als sie zurückkam. Sie knallte die Tür hinter sich zu und schlug die Zeitung auf. Nach nur vier Zeilen wusste sie, dass sie die Gesuchte war.
    Wer war die mysteriöse Frau, mit der Jörgen Grundberg am gestrigen Abend im Französischen Saal gesehen worden war und die heute Morgen die Absperrungen der Polizei durchbrechen konnte? Sachdienliche Hinweise nehme die Fahndungszentrale der Polizei entgegen. Die Nummer war gewissenhaft angegeben.
    Sie bekam ein scheußliches Gefühl im Bauch und brauchte nur wenige Sekunden, um es zu identifizieren.
    Sie fühlte sich bedroht.
    Was sollte sie machen? Vielleicht wäre es das Einfachste, unter dieser Nummer anzurufen und zu sagen, dass sie mit der Sache nichts zu tun habe, aber dann müsste sie sich zu erkennen geben und das wäre nicht gut. Sie brauchten nur ihre Personennummer in den nächstbesten Computer einzugeben, um herauszufinden, dass sie kaum existierte. Es wäre die beste Art, deren Neugier zu wecken, und das Einzige, was sie im Leben wollte, war, ihre Ruhe zu haben. Und selbst für sich zu sorgen. Das hatte sie jetzt fast fünfzehn Jahre lang getan, und bisher hatte niemand nach ihr gefragt.
    Ihre kleinen Gesetzesübertretungen wollte sie ebenfalls für sich behalten. Sie hatten selten jemand Armes getroffen, und sie war kein schlechter Mensch. Sie war lediglich eine, die noch nie in die allgemein akzeptierten Normen gepasst hatte und nun schon so lange außerhalb dieser Normen lebte, dass sich daran nichts mehr ändern ließ.
    Sie hatte keinen Platz im System.
    Sie versuchte lediglich zu überleben. Unter ihren eigenen Bedingungen. Das, was die Zeitungen aus ihrer Lebensgeschichte machen könnten, übertraf alles, was sie sich auszumalen vermochte. Sie war nicht gerade stolz darauf, aber der Teufel sollte denjenigen holen, der darüber irgendwie urteilen oder sich da einmischen wollte. Niemand, der nicht dabei gewesen war, würde verstehen, warum alles so gekommen war, wie es eben gekommen war. Aber es war nun einmal so, und jetzt galt es, aus der Situation das Beste zu machen. Wer könnte das schon verstehen? Schließlich war sie doch mit einem goldenen Löffel im Mund zur Welt gekommen!
    «Aber Henry, ich kann sie nicht dorthin mitnehmen. Du weißt doch, wie es das vorige Mal war.»
    Beatrice Forsenström wollte ihre Mutter und die Tanten in Stockholm besuchen. Direktor Forsenström hatte nicht viel für diese Damen übrig, und das beruhte auf Gegenseitigkeit, deshalb fuhr Sibyllas Mutter normalerweise allein. Vielleicht hatte sie ihren Vater wirklich aus Liebe geheiratet. Jedenfalls aber gegen den Willen ihrer Eltern. Forsenströms Metall & Schmiede in zwei- ter Generation war der Familie Hall, wie sie da auf Östermalm residierte, nicht fein genug. Neureicher bleibt Neureicher, und das, was zählte, waren Ahnen. Solches Blut wollte man in der Familie haben. Und was, um alles in der Welt, sollte ihre Tochter in Hul- taryd anfangen! Diesem Nest im smaländischen Hochland. Aber mach, was du willst. Komm nur nicht und beklage dich, wenn wir Recht behalten!
    All das war Sibylla klar geworden, als sie bei ihrer Großmutter in Stockholm mit am Tisch gesessen und diese mit ihrer Tochter hatte sprechen hören. Sie hatte überdies begriffen, dass die Großmutter missvergnügt, wenn auch nicht besonders verwundert darüber war, dass Beatrice und ihr Mann so lange gebraucht hatten, ein Kind in die Welt zu setzen. Und überhaupt, wie sah das eigentlich aus? Beatrice war bereits sechsunddreißig, als Sibylla geboren wurde!
    Ihre Großmutter hatte die unübertreffliche Fähigkeit besessen, mit Hilfe versteckter Anklagen und Unterstellungen ihren Standpunkt deutlich zu machen. Eine Gabe, die

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