Die Flüchtlinge
erfaßte ihn, glitt jedoch weiter. Hart lehnte die Schulter gegen die Wand. Er fühlte sich plötzlich nicht mehr wohl.
Der Erzbischof beendete gerade ein Gespräch und kam die Podiumsstufen herunter. Sein ansonsten bleiches Gesicht hatte heute abend eine beinahe gesunde Farbe. Hart verließ seine Ecke und bahnte sich einen Weg durch die Anwesenden, wobei er den kleinen Kleriker fast aus dem Blickfeld verlor. Stonesh hielt an, um ein paar Höflichkeiten mit einem Fürsten und dessen Gattin auszutauschen, und Hart wartete geduldig, bis das Paar seinen Weg weiter fortsetzte.
„Eure Eminenz?“
„Menet Kennerin, ich hoffe, daß Sie unsere Feier ebenso genießen wie wir selbst …“
„Ich muß mit Ihnen sprechen!“
„Aber dies ist ein Freudentag, Menet. Da führt man keine ernsten Gespräche!“ Die Stimme des Erzbischofs blieb freundlich.
„Wir haben eine Abmachung getroffen!“
„Vielleicht können wir zu einem späteren Termin darüber reden.“ Stonesh lächelte friedlich und nickte über Harts Schulter hinweg jemandem zu. „Fürst Herrn, Sie sehen gut aus. Ich nehme an, daß sich Ihr Gesundheitszustand gebessert hat.“
Hart weigerte sich, auf diese Weise entlassen zu werden. Er blieb stur neben dem Erzbischof stehen, bis der rheumatische alte Fürst gegangen war. Dann berührte er Stonesh an der Schulter.
„Ich habe Ihnen Ihr Kind gegeben“, flüsterte er aufgebracht, ohne das Lächeln von seinen Lippen verschwinden zu lassen. „Geben Sie mir jetzt meins.“
Stonesh hob abrupt die Arme und führte ihn aus dem Ballsaal in den dunklen Garten hinaus. Die Luft war kühl und klar. Hart holte tief Luft und schob die Finger hinter seinen Gürtel. Er fühlte, daß sie feucht geworden waren.
„Sie werden zu einer Plage. Zu einer gefährlichen Plage“, sagte Stonesh. Alle Freundlichkeit war aus seiner Stimme gewichen.
„Ich will meinen Sohn.“
„Sie werden Ihren Sohn bekommen, wenn wir unseren haben, vorher nicht. Das war eine der Bedingungen unserer Abmachung.“
„Aber ich habe ihn weder in den letzten beiden Monaten zu Gesicht bekommen noch etwas von ihm gehört. Soll ich etwa noch sieben Monate warten?“
„Väterliche Ungeduld, Menet Kennerin? Väterliche Sorge? Sie haben fast drei Jahre lang keinen Sohn gehabt, und jetzt erscheinen Ihnen sieben Monate unerträglich?“
„Ich bitte Sie, Eminenz. Lassen Sie mich ihn wenigstens hin und wieder sehen. Mindestens das könnten Sie mir zugestehen.“
Stonesh verbarg die Hände in seinen Ärmeln und sah Hart an. Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
„Sie haben ja tatsächlich Gefühle, mein zynischer Außenweltler. Potz, Hagel und Granaten.“
„Freut Sie das?“
„Es freut mich in der Tat.“ Der Erzbischof machte eine Pause. „Sie können Ihren Sohn an jedem Hasttag sehen, von sixt bis vespre. Stellt Sie das zufrieden?“
„Es muß wohl, nicht wahr?“
„In der Tat. Und keine weiteren öffentlichen Demonstrationen, Menet. Sie bringen uns alle in Gefahr. Auch Ihren Sohn.“
„Sie würden ein Kind töten?“
Der Erzbischof zuckte die Achseln. „Ich bin ein politischer Mensch.“
Er wandte sich zum Gehen.
„Eure Eminenz … Da ist noch etwas.“
„Ja?“
„Die Gemahlin des Regenten. Haben ihre Ärzte etwas von einem Ablehnungseffekt bemerkt?“
„Bitte?“
„Ablehnungseffekt. Er befallt hin und wieder eine Frau, wenn das genetische Material nicht mit ihrem eigenen übereinstimmt. Es kommt selten vor, aber ich pflege meine Patienten bis zur Niederkunft in dieser Hinsicht routinemäßig zu untersuchen. Man kann Gegenmaßnahmen ergreifen, wenn man es früh genug bemerkt.“
„Und dieser Effekt betrifft nur Klongeburten?“
„Ja.“
„Das ist aber eine schöne Neuigkeit.“ Der Erzbischof runzelte die Stirn. „Und wie, mein Guter, soll ich den Leibärzten beibringen, die eventuellen Komplikationen eines illegalen Eingriffs zu überwachen?“
„Ich bin sicher, daß Eure Eminenz das schaffen wird“, sagte Hart. „Damit werden Eure Eminenz sicher spielend fertig.“
Drei Tage später, als Hart seinen Sohn besuchte, hielt Spider ihm eine Schriftrolle entgegen und weigerte sich zu sprechen, bis er sie gelesen hatte.
„Sie haben es fertiggebracht, Ihre Nützlichkeit fortgesetzt unter Beweis zu stellen“, stand da. „Bringen Sie nächste Woche alles Notwendige mit.“ Der Zettel trug keine Unterschrift.
Hart lächelte und steckte die Mitteilung in die Tasche. Ein paar Minuten später tummelte er sich
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