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Die Flüchtlinge

Die Flüchtlinge

Titel: Die Flüchtlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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sich leicht daran.“
    „Meinst du?“
    „Legen Sie sich ein Kissen aus Heu unter den Kopf“, sagte Jes. „So schläft es sich bequemer.“
    Tabor befolgte seinen Rat. Sekunden später war er eingeschlafen. Die Flöte lag locker in seiner Hand. Jes stützte sich auf einem Ellbogen ab, streckte den Arm aus, berührte sie und schob sie an die Brust des Mannes. Dann berührte er das helle Haar Tabors und glitt leise in sein Heunest zurück.
    Laur hat unrecht, dachte er schläfrig. Sie sind keine Barbaren – nicht, wenn sie Flöte spielen können. Morgen, wenn Jason Duschmöglichkeiten für sie eingerichtet hat, werden sie ein Bad nehmen. Ich freue mich, daß sie gekommen sind. Aerie ist nicht der einzige Planet und Eagle nicht die einzige Sonne. Ich werde bald viel Neues lernen, dachte er befriedigt. Es gibt so vieles, was man wissen muß.

 
2
     
    Als Jason erwachte, fühlte er sich wie zerschlagen und fragte sich, wieso der Schnee sich so warm anfühlte. Der Himmel, den er durch das Fenster sah, war blau und wolkenlos, und die schnurdünnen Zweige und federartigen Blätter der Halaeas verdeckten das Blau wie ein dünner Schatten. Er starrte all das eine Weile an, dann rührte sich etwas neben ihm. Er fühlte ein Gewicht auf seiner Brust, blickte an sich herab und sah Mishs Kopf, der auf seiner Schulter lag. Einer ihrer Arme lag auf seinem Bauch, das Bettzeug türmte sich in einem Haufen auf dem Boden. Daheim, dachte er mit Dankbarkeit und Freude und ließ das Sonnenlicht in seine Seele fließen. Die Große Barriere ist vier Lichtjahre entfernt und liegt vier Wochen in der Vergangenheit. Er umarmte Mish und strich ihr sanft über das Haar. Sie bewegte sich leise.
    „Du schläfst ja gar nicht mehr“, wisperte er.
    Er spürte, wie sich ihr Mund an seiner Haut zu einem Lächeln verzog und drückte sie noch fester an sich. Die Sonne war bereits vor mehreren Stunden aufgegangen. Das Morgenplärren der Vögel war verstummt und die Luft noch immer erfüllt von der frischen Süße des Taus seiner Welt, des ergiebigen schwarzen Lehmbodens, des hochaufragenden Geästs des Halaeabaums und des warmen Körpers seiner Frau, die sich in seinem Bett eng an ihn schmiegte. Jason war ziemlich ausgefüllt. Jasori der Gelehrte und Jason der Träumer waren zugunsten Jason des Praktikers und Jason des Farmers in den letzten Jahren notwendigerweise in den Hintergrund getreten. Aber während der stillen Morgen und Abende seiner Heimat durchströmte ihn stets eine tiefe, von Frieden erfüllte Freude, und er sah die Welt, die ihn umgab, mit den Augen eines Dichters und Verliebten. Er fühlte sich in solchen Momenten vom stimmenlosen Gesang der Dankbarkeit und des Lobes erfüllt. Wie an all diesen Morgen zuvor erschien ihm auch der heutige als ein besonderes Geschenk, eine persönliche Gnade des Universums, das ihm seine Anteilnahme tausendfach zurückerstattete und ihm nicht nur den Reichtum des Landes, sondern auch die Schönheit vermachte. Das war etwas, was niemand zu erwerben hoffen konnte. Man konnte es nur mit tiefer, unendlicher Dankbarkeit hinnehmen.
    Manchmal fragte er sich, ob Mish, die jetzt so klein und zart neben ihm lag, je inmitten der Felder stehengeblieben war und sich die sie umgebende Welt mit einem verwunderten Blick angesehen hatte. Obwohl er ein solches Verhalten an ihr gern gesehen hätte, bezweifelte er es. Mish, eine zweifach Ausgestoßene, liebte das Land mit einer Leidenschaft, von der er wußte, daß sie sowohl tiefer als auch andersartiger war als die seine. Sie liebte es mit dem wilden Instinkt einer Beschützerin, dessen Ausgangspunkt eher auf Stolz als auf Verwunderung basierte. Ihre Entschiedenheit überwog ihre Dankbarkeit, und das konnte er, wenngleich er ihre Gefühle nicht teilte, durchaus verstehen.
    Jason war auf einer Welt des Luxus und eines niemals in Frage gestellten Machtkomplexes geboren worden. Er gehörte einer aristokratischen Familie an, die Terra niemals verlassen hatte, um sich anderswo anzusiedeln. Zusammen mit vierhundert anderen Familien besaß sie Terra nicht nur, sondern übte auf dieser Welt auch alle Macht aus. Dort, wo Jason geboren worden war, gehörten jene Menschen, die kein Land besaßen, zur zweiten Garnitur. Darunter standen die, die Land verloren hatten: Kolonisten, die zurückkamen, weil ihnen das Glück nicht hold gewesen war, weil sie sich auf Planeten angesiedelt hatten, die dazu nicht geeignet gewesen waren. Aus den Reihen dieser verachteten und geschmähten Klasse

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