Die Flüchtlinge
stammte Mish. Sie war auf einem Planeten geboren worden, dessen giftige Atmosphäre schließlich alle Anstrengungen der Menschen, ihn zu erobern, im Nichts hatte enden lassen. Ihre Eltern waren eine Mineningenieurin und ein Arzt gewesen, die den zum Untergang verurteilten Planeten wieder verlassen hatten. Unter der komplexen, allgegenwärtigen Klassenstruktur Terras hätte man ein Verhältnis zwischen Jason und Mish zwar toleriert, ohne ihm viel Bedeutung beizumessen, aber eine Heirat galt beinahe als Verstoß gegen die Gesetze der Natur. Aber sie hatten dennoch geheiratet, denn sie waren zu verliebt gewesen, um an die Konsequenzen zu denken und ihre Verbannung von Terra als Tragödie anzusehen. Nachdem Jason von seiner Familie ausbezahlt worden war, hatten sie Aerie erworben, ohne sich den Planeten vorher anzusehen, und waren mit einem Minimum an Gepäck, ihrer kleinen Tochter und Laur na-Kennerin, Jasons altem Kindermädchen, das darauf bestanden hatte sie zu begleiten, aufgebrochen. Und dann hatten sie damit angefangen, sich ihre eigene Welt aufzubauen – ein Eden, in dem sie vor jenen, die sie trennen wollten, sicher waren.
Die Kennerins hatten schon vor der Großen Expansion auf ihren terranischen Ländereien gelebt und sie bearbeitet. Niemand hatte ihren Besitz je in Frage gestellt; er war für sie eine so natürliche Sache, daß sie an die Möglichkeit eines Verlusts nicht einmal gedacht hatten. Selbst im Exil – von Terra und Kennerin Manor getrennt – verfügte Jason über die Garantie seines Eigentums, und weil Aerie alles war, was er besaß, liebte er den Planeten noch mehr. Mish, die nichts hatte, schien dieser Tatsache beinahe zu mißtrauen: Deswegen schien sie stets dazu bereit zu sein, jedem, der ihnen das Land zu nehmen wagte, eine heiße Schlacht zu liefern. Wäre ihr Besitzstreben weniger intensiv gewesen, hätte Jason dies mit Amüsiertheit zur Kenntnis genommen. Aber er wußte, daß sie im Gegensatz zu ihm, der bereit war, für seine Welt zu arbeiten und zu kämpfen, möglicherweise nicht davor zurückschrecken würde, trotz ihrer moralischen Vorbehalte für Aerie zu töten. Als sie darüber gesprochen hatten, die Flüchtlinge hierherzubringen, war es Mish gewesen, die darauf bestanden hatte, daß das Land das ihre bleiben mußte und nicht der kleinste Fleck an jemanden überschrieben wurde, der nicht zur Familie gehörte. Jason war auf ihr Verlangen eingegangen. Mish hatte ebenso darauf bestanden, daß die Flüchtlinge wie Gleichgestellte behandelt werden müßten und keinesfalls dazu gezwungen werden durften, das elende Leben zu führen, das man ihr auf Terra zugedacht hatte. Sie fürchtete Unterdrücker und Unterdrückung mit der gleichen Intensität wie den Verlust eines Stückes Land, und Jason fragte sich mit einem unguten Gefühl, welches dieser Gefühle in ihr wohl stärker ausgeprägt war. Mish streichelte jetzt seinen Körper. Er beugte sich über sie und verschloß ihren Mund mit seinen Lippen. Kurz darauf gesellten sich die Laken zu den bereits am Boden liegenden Decken.
„Wie spät ist es?“ murmelte er hinterher.
„Fast schon zu spät“, erwiderte sie und setzte sich. Das lange, schwarze Haar ergoß sich über ihren Rücken. Ein paar graue Strähnen fingen das Sonnenlicht ein und reflektierten es. Sie hoben sich hell von ihrer kupferfarbenen Haut ab. Mish wischte sich eine Locke aus dem Gesicht und griff mit ihren schlanken Fingern nach der Bürste. „Du hast wieder die halbe Nacht durchgearbeitet, und da dachte ich, du könntest etwas Ruhe gut gebrauchen.“
Jason reckte sich ausgiebig. „Ich müßte eigentlich schon seit Stunden auf den Beinen sein“, sagte er ohne die geringste Eile. „Heute müssen die Baumstämme herangeschafft werden. Sobald sie zugeschnitten worden sind, können wir das Haus der Ärztin fertigstellen. Außerdem habe ich den Kassies versprochen, runterzukommen und mir den Sand anzusehen.“
„Tabor ist bereits unterwegs“, sagte Mish. „Und Hirem ist gestern abend in den Wald gegangen, als du noch in der Schmiede beschäftigt warst.“
„Ein Musiker und ein Rechtsgelehrter.“ Jason verzog das Gesicht und schwang die Beine über den Bettrand. „Zu was werden die schon nützlich sein?“
„Du solltest sie nicht wie Kinder behandeln, Jase. Sie lernen während der Arbeit; ebenso wie ein Dichter, den ich einmal kannte, durch die Arbeit gelernt hat!“
„Vielleicht. Aber ich habe ja auch nicht erwartet, eine Bande von mit schwieligen
Weitere Kostenlose Bücher