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Die Flüchtlinge

Die Flüchtlinge

Titel: Die Flüchtlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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schwangen jetzt Anwalt und Angestellter, Richter und Ingenieur, Abgeordneter und Fischer den Hammer. Sie sägten Holz und nahmen – sanft wie die Lämmer – von einer schmächtigen jungen Frau, die mit einer Wasserwaage in der Hand auf dem Dachstuhl saß, Befehle entgegen. Die Kreuzung hatte man in eine zeitweilige Gießerei umfunktioniert, wo der Sand von den Stränden und seltene Metalle aller Art in einen Umwandler gekippt wurden, der anschließend Nägel, Muttern, Schrauben und Bolzen ausspuckte, mit denen man die Holzbalken, die man in den Abendstunden im Schein der leuchtenden Stallaternen geschnitten hatte, aneinander befestigte. Die Kasiren hatten die Aufgabe übernommen, den Umwandler mit Sand zu versorgen. Sie kamen in endlosen Schüben nach Haven und wunderten sich über die Gebäudekonstruktionen und die eifrig hin und her eilenden Menschen. Die Flüchtlinge beäugten die großen, vierarmigen, beuteltierähnlichen Intelligenzen mit Mißtrauen. Auf Neuheim hatte man die Urbevölkerung vor Jahrhunderten ausgerottet, und auf sie wirkten die sechsgliedrigen Geschöpfe gefährlich. Was die Kasiren anging, so akzeptierten sie die Neuankömmlinge mit der ihnen eigenen Mischung aus Schweigsamkeit und Neugier. Die örtliche Bevölkerung schien wieder einmal auf rätselhafte Weise angewachsen zu sein, worüber Jason sich nur freuen konnte. Die Kassies arbeiteten mit Fleiß, verlangten dafür so gut wie nichts, und er konnte jeden brauchen, den er bekommen konnte. Er aß sein Brötchen auf, wischte sich die Krümel von den Händen, packte sich einen Hammer und schwang sich auf das Gerüst des noch unfertigen Hauses.
    Gegen Jev’al legten sie eine Essenspause ein. Jason kam vom Dachstuhl herab und ließ sich von einem der Flüchtlinge eine Tasse Suppe geben. Er war kaum mit dem Essen fertig, als er in der Ferne ein Summen hörte und Jes über die Hügelkuppe gelaufen kam.
    „Ein Zubringerschiff!“ schrie er. „Ein Zubringerschiff nähert sich dem Landeplatz! Jason! Ein Zubringerschiff kommt!“
    Die Neuigkeit wurde mit allgemeinem Schweigen aufgenommen. Die Flüchtlinge stellten ihre Tassen ab, standen betroffen auf und starrten nach Osten. Jason nahm schweigend seinen Hammer und schaute in die Runde.
    „Jes, sammle die Kinder ein und bring sie in den Stall. Bring sie auf die Tenne und spiel mit ihnen. Paß auf, daß keines von ihnen herauskommt.“
    „Aber warum denn, Jason? Was hat das zu bedeuten?“
    Jason maß seinen Sohn mit einem kurzen Blick. „Weil wir nicht wissen, wer sich in diesem Schiff aufhält, Jes. Ich möchte die Kinder in Sicherheit wissen!“
    „Aber …“
    „Vielleicht kommt es von Neuheim“, sagte Jason. „Nun geh schon. Wenn ich weiß, das alles in Ordnung ist, lasse ich dir Bescheid geben.“
    Mit aufgerissenen Augen nickte Jes. Dann eilte er durch das Dorf auf die Wiese, auf der die Kinder spielten. Jasons Hammer wechselte in die andere Hand.
    „Ich werde sie mir ansehen“, sagte er zu den Flüchtlingen. „Bis wir wissen, was hier los ist, geht ihr in die Wälder. Wenn es nicht gut aussieht, geht ihr nach Süden in die Berge und …“
    „Nein.“ Medi Lount, die Bildhauerin, machte einen Schritt nach vorn. In ihrer blassen Hand schimmerte ein Schraubenschlüssel. Hinter ihr hob Tabor Grif ein langes Eisenrohr auf und legte es sich über die Schulter.
    „Wir sind jetzt hier zu Hause“, sagte Medi. „Wir gehen nicht wieder weg.“
    „Seien Sie nicht närrisch“, sagte Jason. Dann kam Dr. Hoku auf ihn zu. In der einen Hand hielt sie ein Skalpell, in der anderen eine Bruchschiene.
    „Hört auf zu reden“, sagte sie. „Sie werden bald dasein.“
    „In Ordnung“, sagte Jason. „Verteilt euch um den Landeplatz, aber bleibt hinter den Bäumen und Felsen, damit euch niemand sieht. Wenn das Schiff von Neuheim kommt, dann wartet, bis sie auf euch losgehen. Aber fordert sie nicht heraus. Sie haben Waffen, gegen die wir mit Hammer und Meißel nicht viel ausrichten können.“ Einen Augenblick lang horchte er angestrengt. „Und jetzt laßt uns gehen.“
    Sekunden später war die Ortschaft Haven verwaist. Als Jason den Landeplatz erreichte, rannte Mish über die Felder auf ihn zu. Sie hielt eine schwere Sense in der Hand und machte eine spöttische Geste, als sie seinen Hammer sah. Zusammen suchten sie hinter dem Erdwall Schutz. Bald darauf erfüllte das Dröhnen des Zubringerschiffes das kleine Tal.
    Jason starrte auf das aufgeschüttete Erdreich und gab sich alle Mühe, das

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