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Die Fluesse von London - Roman

Die Fluesse von London - Roman

Titel: Die Fluesse von London - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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Drang an, in alle Richtungen zugleich laufen zu wollen. Ich versuchte sie zu beruhigen, während Lesley die Sache weitermeldete und die Suche einleitete. Ich weiß nicht mehr, was ich zu ihr sagte, irgendwelche beruhigenden Floskeln, aber noch während ich mit ihr redete, sah ich, dass sie fast unmerklich zu zittern begonnen hatte. Mir war klar, dass da vor meinen Augen ein Mensch aus den Fugen zu geraten drohte. Der Sechsjährige tauchte knapp eine Minute später wieder auf, er wurde von einem netten Pantomimen aus einer der tiefer gelegenen Ebenen der Markthalle heraufgebracht. Ich beobachtete die Mutter, als ihr Sohn wieder erschien, sah, wie sich reine Erleichterung auf ihr Gesicht legte und wie die Furcht in ihr Innerstes zurückgesaugt wurde, bis nur noch die energische, praktische Frau im Sommerkleid und mit vernünftigen Schuhen zurückblieb.
    Doch erst jetzt begriff ich ihre Furcht, die nicht ihr selbst galt, sondern einem anderen Menschen. Lesley war sequestriert worden. Henry Pyke hatte sich in ihrem Kopf eingenistet, und zwar schon vor mindestens drei Monaten. Ich versuchte mich zu erinnern, wie sie bei unserer letzten Begegnung ausgesehen hatte. War irgendetwas in ihrem Gesicht anders gewesen? Dann fiel mir ihr typisches Lächeln ein, das breite Grinsen, bei dem sie jede Menge Zähne zeigte. Hatte sie mich in letzter Zeit angelächelt? Ich dachte schon. Wenn Henry Pyke in ihr die
Dissimulo
ausgelöst hatte, sie also in Punchinellas Form verwandelt hätte, wäre es ihr unmöglich gewesen, ihre ruinierten Zähne zu verbergen. Ich wusste zwar nicht, wie ich Henry Pyke aus ihrem Kopf vertreiben konnte, aber wenn ich rechtzeitig zu ihr gelangte, bevor der Wiedergänger ihr Gesicht zerstörte, würde ich vielleicht wenigstens das verhindern können.
    Als Dr.   Walid wieder in sein Arbeitszimmer zurückkehrte, war mein Plan fertig.
    »Nämlich?«, fragte er.
    Ich erzählte es ihm. Auch er fand den Plan miserabel.

11
Die Oberschicht randaliert
    Die dringendste Aufgabe war, Lesley zu finden. Das erledigte ich auf dem einfachsten Weg: Ich rief sie auf ihrem Handy an und fragte sie, wo sie sich befand.
    »Wir sind in Covent Garden«, sagte sie. Mit »wir« meinte sie wohl sich selbst und Seawoll und ungefähr die Hälfte der Mordkommission. Der Chief Inspector folgte wieder einmal der ehrwürdigen Polizeitradition: im Zweifelsfall mit der größtmöglichen Teamstärke anrücken. Sie wollten die ganze Piazza durchsuchen und danach auch noch die Oper überprüfen.
    »Was erhofft er sich davon?«, fragte ich.
    »Erstens, mögliche Probleme einzudämmen«, antwortete sie. »Und zweitens warten wir auf deine Geistesblitze   – wie du dich vielleicht erinnerst.«
    »Ich hab da möglicherweise etwas herausgefunden. Aber es ist wichtig, dass du nichts Dummes tust.«
    »He!«, sagte sie. »Du kennst mich doch.«
    Wenn es nur so wäre.
    Als Nächstes brauchte ich einen fahrbaren Untersatz, deshalb rief ich Beverley auf ihrem wasserdichten Handy an, wobei ich hoffte, dass sie nicht gerade den Schmetterlingsstil unter der Tower Bridge übte oder was auchimmer Wassernymphen in ihrer Freizeit tun. Sie nahm beim zweiten Klingelton ab und wollte wissen, was ich mit ihrer Schwester angestellt hätte. »Sie ist nicht erfreut«, sagte sie.
    »Lassen wir mal deine Schwester beiseite«, sagte ich, »ich muss mir ein Auto ausleihen.«
    »Nur wenn ich mitdarf«, sagte sie prompt. Das hatte ich erwartet, tatsächlich sogar damit gerechnet. »Sonst kannst du zu Fuß gehen.«
    »Okay«, sagte ich mit gespieltem Zögern.
    Sie sagte, sie würde in einer halben Stunde aufkreuzen.
    Als Drittes stand die Beschaffung von ein paar harten Drogen auf meiner Liste. Das erwies sich als überraschend schwierig, wenn man bedachte, dass ich mich in einem Krankenhaus aufhielt. Das Problem war, dass mein braver Doktor ethisches Fracksausen bekam.
    »Sie schauen zu viel fern«, sagte Dr.   Walid. »Betäubungspfeile gibt es nicht.«
    »Klar gibt es die«, widersprach ich. »In Afrika benutzen sie das Zeug ständig.«
    »Ich will es ein wenig deutlicher und schön langsam formulieren«, sagte er. »Es gibt keine
ungefährlichen
Betäubungspfeile.«
    »Es muss ja kein Pfeil sein. Mit jeder Minute, die wir abwarten und Lesley im sequestrierten Zustand lassen, steigt die Chance, dass Henry Pyke ihr Gesicht zerstört. Um Magie zu bewirken, muss der Verstand des Opfers funktionieren. Schalten wir den bewussten Teil des Hirns aus, gehe ich jede Wette ein,

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