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Die Fluesse von London - Roman

Die Fluesse von London - Roman

Titel: Die Fluesse von London - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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  Januar.
    Drei Stunden und zwei Kaffees später fand ich, wonach ich suchte. Ich war mittlerweile bei dem Fall Framline angekommen. Dieser hatte damit begonnen, dass der Fahrradkurier an der Londoner Themseuferstraße, The Strand, von seinem Fahrrad gestoßen worden war. Man hatte ihn zum UCH gebracht, wo er Dr.   Framline tätlich angegriffen hatte. Ein Uniformierter hatte ihm noch am Unfallort eine Aussage abringen können, während sie auf den Krankenwagen warteten. Der Kurier hatte ausgesagt, ein Auto habe ihn überholt und vorsätzlich von der Straße gedrängt. Lesley hatte mir gesagt, der Unfall habe sich an einer der wenigen Stellen ereignet, die nicht von einer Überwachungskamera abgedeckt wurden. Doch nach der ersten Aussage war der Fahrradkurier direkt vor der U-Bahn -Station Charing Cross von der Straße gedrängt worden. Nun gab es aber, seit die nordirische TerrororganisationIRA die Londoner Bahnhöfe in den 1990er-Jahren als legitime Anschlagsziele bezeichnet hatte, vor keinem Londoner Bahnhof auch nur einen einzigen toten Winkel mehr. Ich wühlte mich tief in die Eingeweide des HOLME S-Archivs , wo tatsächlich eine bedauernswerte Seele der Mordkommission sämtliche relevanten Aufzeichnungen jeder einzelnen funktionsfähigen Kamera, vom Trafalgar Square bis zum Old Bailey, abgespeichert hatte. Keine einzige der Dateien war mit einem schlüssigen Namen versehen, deshalb kostete es mich gute eineinhalb Stunden, bis ich die Videoaufzeichnung gefunden hatte, nach der ich suchte. Der Fahrradkurier hatte keine klare Aussage über die Automarke machen können, aber nach der Aufzeichnung gab es keinen Zweifel, dass es sich um einen ramponierten Honda Accord handelte, der ihn absichtlich von der Straße abgedrängt hatte. Die Auflösung des Filmmaterials war nicht hoch genug, um den Fahrer oder das Autokennzeichen zu erkennen, aber schon bevor ich ihn anhand weiterer Kameraaufzeichnungen bis zur hochauflösenden Kamera an den Laternenmasten auf dem Trafalgar Square verfolgt hatte, wusste ich ohne jeden Zweifel, wem der Wagen gehörte.
    Und das ergab auch einen Sinn. Sie war dabei gewesen, als Coopertown seine Frau und sein Kind umbrachte. Sie war bei dem Zwischenfall im Kino und beim Angriff auf Dr.   Framline dabei. Sie war dabei, als wir die Operation vor der Oper planten, und sie war mit der Eingreiftruppe rechtzeitig genug eingetroffen, um die Pistole verschwinden zu lassen.
    Lesley May war meine Hauptverdächtige. Sie war Teil des Ganzen, war von Henry Pyke als wichtige Figur fürsein irres Schauspiel von Aufruhr und Rache sequestriert worden. Ich fragte mich, ob sie von Anfang an Teil des Spiels gewesen war, von der ersten Nacht an, als William Skirmish der Kopf abgeschlagen wurde und ich zum ersten Mal Nicholas Wallpenny begegnet war. Und dann fiel mir Pretty Polly aus dem Piccini-Rollenbuch wieder ein   – das stille Mädchen, von dem Punch verliebt träumt, nachdem er seine Frau und sein Kind um die Ecke gebracht hat. Er küsst sie ausgesprochen lautstark, wobei sie »nix dagegen« zu haben scheint, und dann singt er:
Hätt’ ich die Frauen alle vom alten König Sol, ich würd’ sie alle töten für meine Pretty Poll.
    Ich hatte nichts gespürt bei Lesley, also war es vielleicht möglich, eine Sequestration zu verschleiern, oder vielleicht war ich auch nicht so stark sensibilisiert, wie ich gedacht hatte. Nightingale hatte mir immer gesagt, dass es eine Lebensaufgabe sei, ein
Vestigium
von den vielen kleinen Stimmungsschwankungen zu unterscheiden, die man empfindet. Ich hatte einfach eine Annahme getroffen, wem ich vertrauen konnte und wem nicht   – diesen Fehler würde ich nicht noch einmal machen.
     
    Wir hatten mal einen Fall, bei dem eine Mutter ihren Sohn am Covent Garden verloren hatte. Sie war auf altmodische Art und Weise sehr englisch, trug ein teures Kleid mit Blumenmuster und eine hübsche Handtasche, und hatte im West End nur ein wenig shoppen und dann mit ihrem Sohn das Londoner Transportmuseum besuchen wollen. Dann hatte sie sich einen Moment lang von einer Schaufensterauslage ablenken lassen. Als sie sich wieder umdrehte, war ihr sechsjähriger Sohn verschwunden.
    Ich erinnere mich noch sehr deutlich, wie sie aussah, als sie mich und Lesley entdeckte und zu uns kam. Äußerlich behielt sie einen Anschein der Ruhe, die sprichwörtliche traditionelle britische Gefasstheit, aber ihre Augen verrieten sie   – sie zuckten nach rechts und links, sie kämpfte mühsam gegen den

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