Die Fluesse von London - Roman
versuchte, an Macklin Rache zu üben. Da Macklin damals eine Ginkneipe an der Henrietta Street gehabt hatte und neben der Schauspielerkirche begraben lag, würde ich sie dort suchen. Ich musste also auf die Piazza zurück, und das hieß, dass mein Weg mitten durch den öffentlichen Aufruhr südlich von mir führen würde oder dass ich die Floral Street hinauflaufen musste, wo alles Mögliche an bösen Randalierern oder anderen wirklich schlimmen Dingen lauern mochte.
Glücklicherweise hatte man beim Neuaufbau des Royal Opera House eine Sache wirklich gut gemacht, nämlich viele Ausgänge zu bauen. Ich nahm mir noch die Zeit, Neblett viel Glück zu wünschen und Folsom heimlich zum Abschied gegen das Schienbein zu treten, dann rannte ich in die Oper zurück. Kein Problem, am Kartenschalter und am Souvenirladen vorbeizuschlüpfen und auf der anderen Seite auf die Piazza hinauszulaufen. Oder es wäre kein Problem gewesen, wenn nicht jemand den Laden geplündert hätte.
Die Schaufensterscheiben des Ladens waren zerschmettertworden, ringsum war der Boden mit Scherben und einem Durcheinander von DVDs, Schultertaschen mit dem Logo der Royal Ballet School und Souvenirkugelschreibern übersät. Jemand hatte eine silber- und elfenbeinfarbene Schaufensterpuppe aus dem Fenster gezerrt und über den Korridor geschleudert, mit so unbändiger Kraft, dass sie an der Marmorverkleidung der Wand gegenüber zerbrochen war. Aus dem Ladeninnern hörte ich Schluchzen, gelegentlich unterbrochen von weiterem Krachen. Im Vorbeihuschen von Neugierde überwältigt, blieb ich im zerstörten Ladeneingang kurz stehen und spähte vorsichtig hinein.
Ein Mann mittleren Alters saß barfuß auf dem Boden, umgeben von Hunderten Packungen aus Klarsichtfolie. Er griff eine Packung nach der anderen, riss die Folie auf und zog ein Paar weiße Ballettschuhe heraus. Mit der Zungenspitze im Mundwinkel versuchte er vorsichtig, einen der Schuhe über seinen haarigen Fuß zu ziehen. Wie nicht anders zu erwarten, war der Schuh viel zu klein für ihn, wie kräftig er auch an den Bändern zerren mochte – bis schließlich der Saum riss. Der Mann betrachtete den kaputten Schuh verzweifelt und brach in Tränen aus. Dann schleuderte er ihn quer durch den Laden und griff nach der nächsten Packung. Ich überließ ihn seiner Beschäftigung – es gibt Dinge im Leben, die man gar nicht wissen möchte.
Der Hintereingang der Oper ging auf die Kolonnade an der nordöstlichen Ecke der Piazza hinaus. Die Paperchase-Filiale links war verwüstet worden und Unmengen farbiger Papierfetzen wurden vom Wind über die Pflastersteine auf den Platz hinausgewirbelt. Den Disney-Ladenrechts hatten sie recht begeistert geplündert, während ein Build-a-Bear-Laden bizarrerweise völlig intakt geblieben war – eine friedliche Oase von knallbuntem putzigem Spielzeug. Die Hauptrandale schien derzeit weiter unten bei der Kirche an der Westseite stattzufinden – und deshalb vermutete ich dort auch Lesley. Ich lief auf die Markthallen zu, in der Hoffnung, in ihrer Deckung näher an die Kirche heranzukommen. Ich hatte ungefähr die Hälfte der Strecke hinter mir, als mir jemand nachpfiff. Es war ein richtiger gellender Zwei-Finger-Pfiff, der glatt durch den Höllenlärm der Randalierer schnitt.
Beim zweiten Pfiff entdeckte ich sie. Beverley schaute vom Balkon des Pubs auf mich herab – sie winkte, als sie sah, dass ich sie bemerkt hatte, und rannte zur Treppe. Ich lief ihr entgegen.
»Sie haben mein Auto abgefackelt«, sagte sie.
»Ich weiß.«
»Mein wunderbares, brandneues Mini-Cabrio.«
»Ich weiß. Wir müssen hier raus.« Ich packte sie am Arm und versuchte sie zurück zur Oper zu ziehen.
»Da können wir nicht durch«, sagte sie.
»Warum nicht?«
»Weil ich glaube, dass dich ein paar Leute verfolgen.«
Ich drehte mich um. Der Opernsänger-Trupp war wieder aufgetaucht, gefolgt vom größten Teil des Orchesters sowie einer Menge Leute in T-Shirts und Jeans, wohl die Bühnenarbeiter. Das Royal Opera House Covent Garden ist eine Institution von Weltrang, in der einige der größten Opern in wahrhaft epischem Format aufgeführt werden – es verfügt daher über eine sehr große Mannschaft von Bühnenarbeitern.
»Oh mein Gott!«, sagte Beverley plötzlich. »Ist das Lesley?«
Lesley hatte sich an die Spitze der Gruppe gedrängt, immer noch mit ihrem Punch-Gesicht. Sie hob die Hand, und die Gruppe blieb stehen.
»Lauf!«, sagte ich zu Beverley.
»Gute Idee«,
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