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Die Fluesse von London - Roman

Die Fluesse von London - Roman

Titel: Die Fluesse von London - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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Mutter hätte die Ablehnung als Beleidigung aufgefasst, aber Mama Themse neigte nur gütig den Kopf. Vielleicht gehörte auch das zur Abmachung.
    »Dein Meister«, sagte sie. »Geht es ihm gut?«
    »Ja, Ma’am.«
    »Scheint immer besser zu werden, je älter er wird, unser Meister Nightingale«, fuhr sie fort. Bevor ich fragen konnte, was sie damit meinte, erkundigte sie sich schon nach meinen Eltern. »Deine Mutter ist eine Fulba, stimmt’s?«, fragte sie.
    Ich nickte. »Aus Sierra Leone.«
    »Und dein Vater spielt nicht mehr, glaube ich?«
    »Sie kennen meinen Vater?«
    »Nein.« Sie schenkte mir ein wissendes Lächeln. »Nur in dem Sinn, dass mir alle Musiker Londons gehören, vor allem die Jazz- und Bluesleute. Hängt mit dem Fluss zusammen.«
    »Dann sind Sie bestimmt auch gut bekannt mit dem Mississippi?«, fragte ich. Mein Vater hatte immer geschworen, dass der Jazz, wie auch der Blues, aus den schmutzigbraunen Wassern des Mississippi hervorgegangensei. Meine Mutter dagegen hatte geschworen, dass beides aus der Flasche hervorgegangen sei, wie alles Teufelszeug überhaupt. Mit der Frage hatte ich mich ein wenig über Mama Themse lustig machen wollen, aber im selben Moment wurde mir klar   – wenn es eine Mutter Themse gab, konnte es durchaus auch einen Gott des Old Man River geben, und wenn es so war, redeten die beiden dann miteinander? Führten sie lange Telefonate und sprachen über Verlandung, Wassereinzugsgebiete und Maßnahmen zur Flutregulierung in den Überschwemmungsregionen? Oder benutzten sie heutzutage E-Mails , SMS oder Twitter?
    Während dieser pragmatischen Überlegungen merkte ich, dass der Zauber allmählich verblasste, und Mama Themse musste das auch gespürt haben, denn sie warf mir einen listigen Blick zu und nickte. »Ja«, sagte sie, »jetzt sehe ich, wie es ist. Dein Meister war ganz schön clever, als er dich auswählte, und dabei sagt man doch, dass man einem alten Hund keine neuen Tricks beibringen kann.«
    Nach zwei Wochen voller ähnlich unergründlicher Äußerungen von seiten Nightingales hatte ich eine ausgeklügelte Gegenstrategie zu solchen Sentenzen entwickelt   – ich wechselte einfach das Thema.
    »Wie sind Sie eigentlich zur Göttin der Themse geworden?«, fragte ich.
    »Bist du sicher, dass du das wissen willst?«, fragte sie zurück, aber ich merkte trotzdem, dass ihr mein Interesse schmeichelte. Es ist nun mal eine Binsenwahrheit, dass jeder gern über sich selber redet. Neun von zehn Geständnissen sind ausschließlich dem natürlichen Instinkt des Menschen zuzuschreiben, einem aufmerksamen Zuhörerdie eigene Lebensgeschichte erzählen zu wollen. Selbst wenn dazu auch die Story gehört, wie er den Golfpartner mit einem Golfschläger totprügelte. Mama Themse bildete da keine Ausnahme; tatsächlich wurde mir klar, dass Götter vielleicht ein noch größeres Bedürfnis hatten, sich zu erklären.
    »Ich kam 1957 nach London«, begann Mama Themse, »aber damals war ich natürlich noch keine Göttin. Einfach nur ein dummes Hühnchen vom Land mit einem Namen, den ich längst vergessen habe. Machte eine Ausbildung als Krankenschwester, aber ich muss gestehen, dass ich keine besonders gute Schwester abgab. Ich hab’s nie gemocht, kranken Leuten zu nahe zu kommen. Es lag nur an den dummen Patienten, dass ich keine einzige Prüfung bestand und schließlich hinausgeworfen wurde.« Mama Themse gab ein verächtlich schmatzendes Geräusch von sich ob dieser Dreistigkeit. »Einfach so. Und mein schöner Robert, der mir schon seit drei Jahren den Hof gemacht hatte, sagte zu mir: ›Ich hab keine Lust, noch länger zu warten, bis du dich endlich entschließen kannst. Ich heirate eine Weiße, eine Irin.‹«
    Wieder schmatzte sie verächtlich und ringsum schmatzten auch die anderen Frauen wie ein Echo.
    »Ich war so todunglücklich, dass ich mich umbringen wollte. Oh ja, so schlimm hat mir dieser Mann das Herz gebrochen. Also ging ich auf die Hungerford Bridge, um mich in den Fluss zu stürzen. Aber das ist eine Eisenbahnbrücke, und der Fußgängersteg an der einen Seite   – der war damals ungeheuer dreckig. Alle möglichen Typen lebten damals auf der Brücke, Tramps und Trolle und Kobolde. Das war jedenfalls keine Stelle, von der sich einanständiges nigerianisches Mädchen ins Wasser stürzen würde. Wer weiß, wer da zuschaut! Also ging ich weiter zur Waterloo Bridge, aber als ich dort ankam, ging schon die Sonne unter, und wohin ich auch schaute, alles war so schön, dass

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