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Die Fluesse von London - Roman

Die Fluesse von London - Roman

Titel: Die Fluesse von London - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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ich mich einfach nicht überwinden konnte, hinunterzuspringen. Und dann wurde es dunkel, und ich ging nach Hause zum Abendessen. Am nächsten Morgen stand ich früh auf und nahm den Bus zur Blackfriars Bridge. Aber dort steht am Nordende die verdammte Statue von Königin Victoria, und obwohl sie in die andere Richtung schaut, wäre es doch furchtbar peinlich gewesen, wenn sie sich zufällig umgedreht und mich auf der Brüstung gesehen hätte.«
    Die ganze Versammlung nickte zustimmend.
    »Und mich von der Southwark Bridge zu stürzen, kam auf gar keinen Fall in Frage«, fuhr Mama Themse fort. »Also machte ich mich wieder auf die Beine und kam nach einem langen, langen Spaziergang wo an?«
    »London Bridge?«
    Mama Themse streckte die Hand aus und tätschelte mein Knie. »Damals noch die alte Brücke, die sie später an diesen netten Herrn aus Amerika verscherbelten. Das war noch ein Mann, der wusste, wie man mit einem Fluss umgehen muss! Zwei Fässer Guinness und eine Kiste Rum Barbencourt, das nenne ich eine Opfergabe!«
    Eine Pause trat ein, während Mama Themse an ihrem Tee nippte. Beverley stakste mit einer Schale Vanillecremekekse herein und stellte sie auf den Tisch, so dass man sie gut erreichen konnte. Ich hielt einen Keks in der Hand, bevor ich wusste, was ich tat, und legte ihn schnell wieder zurück. Beverley schnaubte.
    »Mitten auf der alten London Bridge stand eine Kapelle, die St. Birinus geweiht war, und als gute Sonntagsschülerin dachte ich, dass das genau der richtige Ort war, um mich ins Wasser zu stürzen. Da stand ich nun, schaute nach Westen, und genau da setzte die Flut ein. London war damals noch ein richtiger Hafen, ein sterbender Hafen zwar, aber doch wie ein alter Mann, der ein langes aufregendes Leben hinter sich hatte, voller Geschichten und Erinnerungen. Und für den nichts entsetzlicher war als die Vorstellung, dass er bald alt und gebrechlich sein und sich niemand um ihn kümmern würde. Und ich hörte, dass der Fluss redete und mich bei meinem Namen rief, den ich jetzt längst vergessen habe, und der Fluss sagte: ›Wir sehen, dass du leidest, wir sehen, dass du weinst wie ein Kind, nur wegen eines Mannes.‹
    Und ich sagte: ›Oh Fluss, ich habe einen langen Weg hinter mir und habe als Krankenschwester versagt und habe als Frau versagt und deshalb liebt mich mein Mann nicht.‹
    Und der Fluss redete und sprach: ›Wir können deine Mühsal hinwegnehmen, wir können dich glücklich machen und dir viele Kinder und Kindeskinder schenken. Und alle Welt wird zu dir kommen und dir Gaben zu Füßen legen.‹
    Na ja«, fuhr Mama Themse fort, »das war natürlich ein verlockendes Angebot und deshalb fragte ich: ›Was muss ich tun? Was willst du von mir?‹, und der Fluss antwortete: ›Wir wollen nichts von dir, was du uns nicht ohnehin geben wolltest.‹
    Also sprang ich ins Wasser   – platsch! Und ich sank ganz nach unten und, du meine Güte, dort sind Sachen,die du nie glauben würdest. Sagen wir nur, man müsste dringend einmal das Flussbett säubern, und belassen wir’s dabei.«
    Sie wedelte beiläufig mit der Hand zum Fluss hinüber. »Ich kam drüben bei Wapping Stair aus dem Fluss heraus, wo sie früher die Piraten ersäuften. Und seither bin ich immer hier geblieben. Heute ist das der sauberste Fluss in allen industriellen Gebieten Europas, glaubst du, das passiert von allein, Swinging London, Cool Britannia, das Themse-Wehr, glaubst du denn, das ist alles rein zufällig passiert?«
    »Der Millennium Dome?«, fragte ich.
    »Heute die populärste Konzerthalle in Europa«, sagte sie. »Sogar die Rheintöchter kamen mich besuchen, um zu lernen, wie man so was macht.« Sie warf mir einen bedeutungsschweren Blick zu und ich fragte mich, wer zum Henker die Rheintöchter sein mochten.
    »Vielleicht sieht Vater Themse die Sache ganz anders?«, fragte ich.
    »Baba Themse!« Sie spuckte den Namen buchstäblich aus. »Als er noch jung war, stand er genau dort, wo ich stand, nämlich auf der Brücke, und legte den gleichen Schwur ab wie ich. Aber seit dem Großen Gestank von 1858 hat er sich nicht mehr unterhalb der Teddington-Schleuse blicken lassen. Kam nie mehr zurück, auch nicht, nachdem Bazalgette die Abwasserkanäle baute. Nicht mal, als der ›Blitzkrieg‹ tobte und die halbe Stadt brannte. Und jetzt behauptet er, es sei sein Fluss!«
    Mama Themse richtete sich kerzengerade in ihrem Sessel auf, als wolle sie für ein formelles Porträt Modell sitzen.
    »Ich bin nicht habgierig«,

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