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Die Fluesse von London - Roman

Die Fluesse von London - Roman

Titel: Die Fluesse von London - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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gelassen. Ich meinerseits hatte Zugriff auf einen zehn Jahre alten blauen Ford Escort, dem man auf hundert Meter ansah, dass er mal zur Polizeiflotte gehört hatte. Offensichtlich war Nightingale beim selben Autohändler Kunde wie Lesley. Ein altes Bullenauto kann man immer erkennen, denn egal wie sehr man daran herumpoliert, es wird immer nach Bulle riechen.
     
    Shoreditch, Whitechapel, Wapping   – das alte und das neue East End, durch Geld und Kompromisslosigkeit zu einem Einheitsbrei geworden. Mutter Themse wohnteöstlich des White Tower in einem umgebauten Lagerhaus. Auf der anderen Seite des Shadwell Basin lag der Prospect of Whitby. Dieser alte Pub war früher einmal ein legendärer Jazz-Treffpunkt gewesen; hier hatte mein Dad manchmal mit Johnny Keating zusammengehockt. Allerdings hatte mein Vater über die hochentwickelte Fähigkeit verfügt, die eigene Karriere zu vermasseln, jedenfalls wurde nichts aus seinem Auftritt mit Lita Roza   – ich glaube, sie engagierten Ronnie Hughes als Ersatzmann.
    Zur Straße hin zeigte das Lagerhaus das übliche blinde Gesicht eines Londoner Backsteinbaus, mit modernen Fenstern durchlöchert. Auf der Flussseite hatte man die alten Ladekais in Parkplätze verwandelt. Ich parkte zwischen einem orangefarbenen Citroën Picasso und einem feuerwehrroten Jaguar XF.
    Als ich ausstieg, erlebte ich mein bisher deutlichstes Empfinden eines
Vestigium
. Ein intensiver Geruch von Pfeffer und Salzwasser, so plötzlich und so schockierend wie ein schriller Möwenschrei. Keine große Überraschung, schließlich gehörte das Lagerhaus früher zum Port of London, seinerzeit der geschäftigste Hafen der Welt.
    Ein bitterkalter Wind fegte die Themse herauf; ich beeilte mich, ins Haus zu kommen. Von irgendwo war Musik zu hören, der Bass war bis zur Grenze der Gesundheitsgefährdung aufgedreht. Die Melodie selbst, falls es eine gab, war nicht zu hören, dafür vibrierte der Basslauf in meiner Brust. Darüber ertönte plötzlich ein helles weibliches Lachen, es klang ein wenig boshaft und geschwätzig. Neben dem pseudoviktorianischen Eingang war eine Gegensprechanlage installiert, die auf dem allerneuestentechnischen Stand war. Ich gab die Nummer ein, die Nightingale mir genannt hatte, und wartete. Gerade wollte ich die Ziffern noch einmal eingeben, als sich auf der anderen Seite der Tür das klatschende Geräusch von Flip-Flops auf Fliesen näherte. Die Tür ging auf. Eine junge schwarze Frau stand vor mir. Sie hatte Katzenaugen und trug ein schwarzes, mehrere Nummern zu großes T-Shirt mit der Aufschrift WE RUN TINGS.
    »Ja?«, sagte sie. »Was willst du?«
    »Ich bin Detective Constable Grant«, sagte ich. »Ich möchte gern mit Mrs.   Themse sprechen.«
    Das Mädchen betrachtete mich von oben bis unten, wobei sie mich wohl mit irgendeinem theoretischen Idealmann verglich, verschränkte die Arme vor den Brüsten und starrte mich gereizt an. »Und?«, fragte sie.
    »Nightingale schickt mich.«
    Das Mädchen seufzte, drehte sich halb nach hinten und schrie in den Flur: »Der Typ hier behauptet, er kommt vom Zauberer!« Auf dem Rücken trug das T-Shirt die Aufschrift TINGS NUH RUN WE.
    »Lass ihn rein!«, kam eine Stimme aus der Tiefe des Gebäudes. Sie hatte einen leichten, aber unverkennbaren nigerianischen Akzent.
    »Na, dann komm halt rein«, sagte das Mädchen und trat zur Seite.
    »Wie heißt du?«, fragte ich.
    »Mein Name ist Beverley Brook«, sagte sie mit einer schnippischen Kopfbewegung, als sie an mir vorbeiging.
    »Freut mich, dich kennenzulernen, Beverley«, sagte ich.
    Im Gebäude war es heiß, fast tropisch-schwül, undschon nach kurzer Zeit rann mir der Schweiß über Gesicht und Rücken. Die Türen zum Flur standen weit offen und der schwere Bassrhythmus schallte die Treppe herunter, die die Stockwerke miteinander verband. Entweder bekam ich hier das am nachbarschaftlichsten gesinnte Haus in der englischen Sozialgeschichte zu sehen, oder Mama Themse herrschte über den ganzen Bau.
    Beverley ging voran und führte mich in eine Erdgeschosswohnung. Es kostete mich einige Mühe, nicht ständig die langen Beine anzustarren, die schlank und braun unter dem Saum ihres überlangen T-Shirts herausragten. In der Wohnung war es sogar noch wärmer, und ich erkannte den Duft von Palmöl und Maniokblättern. Ich hatte sofort eine ziemlich genaue Vorstellung davon, was mich in dieser Wohnung erwartete   – in zarten Pfirsichtönen gestrichene Wände, Berge von Reis und Hühnchen in der

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