Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
hin.
»Massa«, flüsterte er leise, »der Kapitän vom Dampfer läßt Euch sagen, er müsse fort, – er könne nicht länger warten.«
»Ha, – Squire Dayton!« rief da James Lively, dessen Blick, durch das lichte Kleid der jungen Dame angezogen, den Richter erkannte. Er ritt noch das Pferd, das ihm Adele gebracht hatte, und sein Schenkeldruck trieb es rasch dem Platze zu, wo Dayton stand.
»Squire!« sagte er hier, während er rasch von seinem schnaubenden Tier herabsprang und tief errötend die junge Dame grüßte. »Squire, es sind heute morgen wunderliche Sachen in Helena vorgegangen. Wir hatten die Nachbarn aufgeboten, um dem Gesetz, wo es Hilfe brauche, beizustehen. Cook eilte zu diesem Zweck voraus, und wie ich jetzt höre, ist er verhaftet.«
»Mr. Lively«, sagte der Squire, und sein Herz klopfte, als ob es ihm die Brust zersprengen sollte. Das Dampfboot von stromauf kam mit jedem Augenblick näher; nur Zeit jetzt gewonnen, nur wenige Minuten Zeit. »Cooks wilder Hitzkopf hatte sich das allein zugezogen; ich mußte ihn fast mehr noch seiner eigenen Sicherheit als eines andern Grundes wegen verhaften lassen. – Das alles hat sich jetzt jedoch erledigt, und da nun auch kein weiterer Grund vorliegt, will ich selbst hinaufgehen und ihn in Freiheit setzen.«
»Möchte kaum nötig sein, Sir«, sagte lächelnd der junge Hinterwäldler, »Vater ist dorthin aufgebrochen und wird ihn wohl mitbringen. – Wahrhaftig, ich glaube, dort kommen sie schon.« Er richtete sich rasch empor, und in der Tat sprengten eben einzelne Reiter mit Cook und Tom Barnwell in ihrer Mitte aus der oberen Straße heraus. Der Squire bog sich schnell zu seinem Neger nieder.
»Bolivar!« flüsterte er. »Hinauf, und bringe Mrs. Dayton hin aufs Boot; – Leben und Freiheit hängt an deiner Eile.«
»Squire! Wir haben eben den ›Grauen Bären‹ gestürmt«, wandte sich James wieder an Dayton; »aber das Nest ist leer! Unser Geheimnis ist verraten; die Bande hat –«
Ein lauter Ruf des Entsetzens, den Bolivar in Furcht und Staunen ausstieß, unterbrach ihn. – Der Neger, schon im Begriff, den ihm gegebenen Befehl zu erfüllen, hatte aber auch Ursache, zurückzuschrecken, denn dicht vor ihm, den alten schwarzen Filzhut abgeworfen, das marmorbleiche Antlitz von wilden, dunklen Locken umwallt, die Augen stier und geisterhaft, die blassen Wangen von zwei kleinen blutroten Flecken gefärbt, die Lippen zitternd und halb getrennt, stand ein Knabe und hob langsam die Hand gegen den Richter auf.
»Georgine!« stöhnte der Häuptling, und das Blut wich aus seinen Wangen.
»Dayton«, bat Adele in Todesangst, – »was, um des Himmels willen, ficht dich an? Was bedeutet dies alles?«
»Hahahaha!« lachte mit markdurchschneidendem Hohn Georgine und richtete sich stolz und wild empor. Sie hielt in diesem Augenblick Adele, die sie früher noch nicht gesehen hatte, für des Richters Gattin. »Richard Kelly, der Kindesmörder, fürchtet die eine seiner Frauen zu begrüßen, weil die andere daneben steht. – Herbei, ihr Leute, herbei!«
»Wahnsinnige!« rief Dayton und ergriff rasch ihren Arm.
»Zurück von mir!« schrie aber das Weib in wilder Wut. »Wahnsinnig? Ja, ich bin wahnsinnig, ich will es sein; – aber du, – du hast mich dazu gemacht. Herbei, ihr Farmer! Herbei, ihr Männer von Helena! Herbei! Der, der hier vor euch steht als Richter und Squire, – der, der jahrelang in eurer Mitte gelebt hat, wie sich die Schlange im stillen Haus, in der Nähe der Menschen ihr Nest sucht –«
»Georgine!« rief Dayton in Entsetzen.
»– Ist Kelly, der Häuptling der Piraten, der Herr jener Räuberinsel, – und ich – ich – ich bin sein Weib!«
Der schwache Körper konnte nicht mehr ertragen. Aufregung, Schmerz, Wut und Rache hatten ihre Kräfte wohl noch bis zu diesem Augenblicke aufrechterhalten; jetzt aber ließ auch die letzte, zu straff angespannte Sehne nach, und bewußtlos sank sie zurück und wäre zu Boden gestürzt, hätte nicht James sie in seinem Arme aufgefangen.
Dayton stand, einer aus Stein gehauenen Bildsäule gleich, starr und regungslos da und hörte die Worte, die sein Todesurteil sprachen, wie einer, der einem fernen, fernen Tone lauscht. Solange der Blick Georgines auf ihm haftete, war er nicht imstande, sich zu regen; – jetzt aber, als sie zurücksank, als ein Ausruf des Entsetzens den Lippen Adeles entfuhr und der Racheschrei der ihn umgebenden Feinde zum Himmel emporstieg, durchzuckte auch ihn wie mit
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