Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
das, was Ihr mir da eben mitteilt, den Leuten erzählen, wenn sie nach Euch fragen, und wollt Ihr mir offen sagen, was Ihr vorhabt, oder – ist die Geschichte für mich mit erdacht?«
Der Squire sah ihn einen Augenblick unschlüssig zögernd an, dann streckte er dem Freunde rasch die Hand entgegen.
»Nein«, rief er, »nicht für Euch, Porrel; Euch werde ich die lautere Wahrheit sagen. Ich will fort, will dieses Leben, will diese Schar verlassen. Ihr, Porrel, mögt der Vollstrecker meines letzten Willens – mein Erbe sein!«
»Und Euer Weib nehmt Ihr mit?« fragte der Mann aus Sinkville. Der Squire nickte schweigend mit dem Kopfe.
»Aber Georgine? –«
»Lest den Brief!« sagte dumpf der Richter. Porrel nahm das Schreiben und überflog es rasch.
»Eifersucht!« sagte er lächelnd. – »Blinde Eifersucht! – An?« – Er drehte, um die Anschrift zu lesen, das Papier herum. »Ha, da sind Blutflecken, mit einem Tuche verwischt. Wer hat dieses Schreiben so rot gesiegelt?«
»Der Träger«, entgegnete Dayton finster; »doch wie dem auch sei, nie will ich sie wiedersehen; aber sie soll auch nicht darben. Hier, dieses Paket übergebt ihr von mir.«
»Also, Ihr habt fest beschlossen –«
»Fest, Porrel, fest, und Euch, – wenn Ihr meine Bitte treu erfüllt, die Leute in Sicherheit bringt und die Beute redlich unter sie teilt, sei mein Anteil bestimmt; genügt Euch das?«
»Der ganze Anteil?« fragte erstaunt der Advokat. – »Mann, wißt Ihr auch, welche Reichtümer wir besonders in letzter Zeit erübrigt haben?«
»Wohl weiß ich es«, flüsterte mit abgewandtem Antlitz der Richter, – »es ist das Eure. – Wer von den Unseren nach mir fragen sollte, dem sagt, zu welchem Zweck ich mit diesem Boot und wohin ich mit ihm gegangen bin. Doch jetzt beruhigt die Leute da oben; ich höre noch immer den wilden Lärm und Zank. Die Burschen sind doch unverbesserlich und nicht im Zaume zu halten, auch nicht, wenn ihnen Tod und Henker schon vor Augen ständen. Good bye, Porrel, ich gehe jetzt hinauf, um mein Weib zu holen. Glück zu! Der beste Wunsch, den ich für Euch habe, ist: Texas und den Golf hinter Euch!«
Adele war inzwischen rasch die kurze Strecke zum Union-Hotel getrabt, um Mrs. Smarts Sattel zurückzubringen. Dort fand sie aber das ganze Haus wie ausgestorben; der einsame Barkeeper schaukelte sich in der Veranda auf den Hinterbeinen seines Stuhles, Madame war, wie Scipio sagte, zu Squire Daytons, Mr. Smart selbst mit dem Virginier fortgegangen und er, Scipio, wußte nun – wie er meinte – vor Langeweile nicht, ob er seine gewöhnliche Arbeit besorgen oder hinter den anderen hergehen solle.
»Ist Mrs. Smart schon lange drüben?« fragte Adele, während der Neger den Sattel abnahm und den Zügel des Pferdes über das Reck warf.
»Nein, Missus«, lautete die Antwort, – »gar noch nicht lange. – Golly Jesus, Missus hat ja das Pferd verwechselt! – Nancy war hier, – ist, bei Jingo, Mr. Livelys Pony; – fremde Missus soll recht krank geworden sein.«
»Marie?« rief Adele erschreckt. »Armes, armes Kind; aber ich bin gleich bei dir. Ach, Scipio, weißt du nicht, ob Squire Dayton zu Hause ist; ich muß ihn augenblicklich sprechen.«
»Steht unten am Wasser, Missus«, sagte Scipio, »gleich unten, wenn Ihr hier die Straße hinuntergeht – Ihr könnt gar nicht fehlen; er müßte denn wieder weggegangen sein.«
»Scipio«, sagte Adele, »willst du mir die Liebe tun und einmal hinunterlaufen und ihn bitten, er möchte doch – oder nein, – ich will lieber selber gehen – Scipio, nicht wahr, du begleitest mich an den Fluß. Eine solche Menge fremder Bootsleute ist heute in der Stadt, ich fürchte mich fast, allein zu gehen.«
»Großer Golly«, sagte Scipio und schüttelte bedenklich mit dem Wollkopfe, »geht heute merkwürdig wild in Helena zu. – Dies Kind hier« wenn er von sich selber sprach, nannte sich Scipio immer gern mit diesem allerdings für ihn etwas zu jugendlichen Beinamen, »dies Kind hier hat noch keine solche Wirtschaft gesehen. – Wundert mich, daß der Leichendoktor noch nicht da ist –«
»Willst du mit mir gehen, Scipio?«
»Be sure, – Miß, be sure, – Scipio geht immer mit!« Und der Afrikaner drückte sich seinen alten, abgegriffenen Strohhut noch fester in die Stirn, hob sich, nach Matrosenart, den Bund ein wenig, streckte erst das rechte, dann das linke Bein und gab nun durch eine kurz abgeknickte Verbeugung der jungen Dame zu verstehen, daß seine
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