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Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B.C. Schiller
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schlafende Frau oben zu scheren, denn er ist über meinen metallenen Fotokoffer gestolpert. Den habe ich mir schon griffbereit zurechtgestellt, denn am Morgen steht ein Fotoshooting an. Raul, meine gute Seele, hat mir noch am Abend alle Infos detailliert gemailt. Vor lauter Grübeln habe ich am Nachmittag tatsächlich das Briefing mit dem Kunden verschwitzt, aber Raul hat die Situation gerettet. Wahrscheinlich war er sogar sympathischer und witziger als ich. Wie auch immer, ich muss endlich schlafen, um morgen fit zu sein. Die Arbeit ist das Einzige, das mich ablenken kann. Sonst würden meine Gedanken immer wieder zu der Wohnung in der Operngasse zurückkehren, dorthin, wo das Verhängnis seinen Anfang nahm.
    „Adriana!“, seufzt Gregor mit schwerer Zunge. Dass er so völlig unbemerkt in unserem Schlafzimmer steht, erschreckt mich, denn ich war viel zu sehr mit der Erinnerung an den heutigen Tag beschäftigt und plötzlich steht mein Mann vor mir wie ein Phantom.
    „Adriana!“, sagte er schon wieder und ich weiß, dass ich jetzt eine Predigt zu hören bekomme, was ich wohl wieder alles falsch gemacht habe und wo ich ihm schaden könnte, jetzt in der Hochphase des Wahlkampfes. Fest presse ich die Augen zusammen, verhalte mich wie das kleine Mädchen, das glaubt, wenn man die Augen schließt, ist auch das Übel beseitigt. Doch so ist es natürlich nicht.
    „Wir müssen reden!“, sagt Gregor, der weiß, dass ich nicht schlafe. Zu angespannt ist die Atmosphäre im Schlafzimmer, zu hektisch klingt mein Atmen. „Was ist heute passiert?“, fragt er mit besorgter Stimme, die einfühlsam klingen will, aber vor unterdrückter Wut vibriert.
    „Reden wir morgen, Gregor, bitte lass mich schlafen“, murmle ich und tue so, als sei ich soeben aus einem tiefen Schlaf geweckt worden. Als ich mich zur Seite drehen will, packt Gregor meine Schulter und drückt mich unsanft zurück auf den Rücken. Seine Hand hält mich weder fest noch ist der Druck übertrieben aggressiv, aber trotzdem empfinde ich diese Berührung als Bedrohung. So wie ich die ganze Situation als Bedrohung empfinde. Es ist das Eindringen einer fremden Macht in meine purpurne Welt der betörenden Gerüche und exotischen Gewürze. Das Erobern eines paradiesischen Kontinents. Gregors Anwesenheit ist wie die einer Kolonialmacht, die mich besetzt.
    Wenn ich die Augen weiter geschlossen halte, dann kann mir nichts passieren, dann schlafe ich irgendwann ein und Gregor, müde von einer dieser sinnlosen Wahlveranstaltungen, geht nach unten und schläft auf dem Sofa im Wohnzimmer. Also konzentriere ich mich darauf, einzuschlafen und bin auch sofort in einem Dämmerzustand, in dem die Realität schon leichter wird. Das wundert mich, denn normalerweise funktioniert diese Art der Selbstsuggestion bei mir nicht. Aber ich bin natürlich nicht ganz ehrlich zu mir selbst, denn ich habe abends zwei der Tabletten von Dr. Mertens genommen, anstelle einer halben laut seiner Anordnung. Langsam entspanne ich mich, fühle mich schon fast auf der sicheren Seite. Aber wie immer unterschätze ich Gregor, denke, dass jetzt wieder der Status quo hergestellt ist, dass all diese Vorwürfe und Anschuldigungen, die mir mein Mann sicher an den Kopf werfen wollte, unausgesprochen bleiben und am nächsten Morgen an Schrecken verloren haben. Doch wie gesagt, ich unterschätze Gregor immer wieder, denn er bleibt weiter ruhig an meinem Bett sitzen und seine Hand liegt noch immer schwer auf meiner Schulter. Wie die eines Eroberers. Diese Ruhe müsste mir eigentlich zu denken geben, doch ich bin viel zu benebelt, um etwas zu bemerken.
    „Marion hat mir von eurem Gespräch erzählt.“
    Präzise platziert Gregor seine Worte, wohl wissend, dass dieser eine Satz seine ganze Überlegenheit demonstriert. Gregor hat jede Situation im Griff. Er ist auf alles vorbereitet, kann jeden Überraschungsangriff eines Konkurrenten parieren, kennt natürlich auch meinen wunden Punkt. Meine Angst, alleine zu bleiben, schutzlos.
    „Wann hast du mit Marion gesprochen?“ Ich sitze kerzengerade im Bett und die Wirkung von Dr. Mertens Tabletten verflüchtigt sich schlagartig. Gregor hat seine Hand längst von meiner Schulter genommen, doch noch immer spüre ich den Druck auf meiner Haut, die jetzt wie Feuer brennt. Gregor schweigt, genießt den Moment des Triumphes.
    „Warum hast du mit ihr über mich gesprochen? Woher wusstest du überhaupt, dass ich mich mit ihr treffe? Spionierst du mir etwa nach?“, kreische ich

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