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Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B.C. Schiller
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unter der die Luft rasch weniger wird. Mein Atmen wird hektischer, denn ich weiß, dass bald keine Luft mehr in dem Zimmer sein wird. Mein Herz klopft wie verrückt und das Blut pocht in meinen Schläfen. Die Tür hatte ich nach Gregors Verschwinden abgesperrt, doch jetzt ist sie weit geöffnet. Nur einige wenige Schritte, dann habe ich es geschafft, dann habe ich diesen Kokon verlassen, bin im Flur und wieder auf festem Boden.
    „Adriana, das hättest du nicht tun dürfen!“, rauscht es aus den Wänden rings um mich. Ein schwarzer Schatten versperrt mir den Weg nach draußen, und eine schokoladenbraune Hand greift unter meinem Nachthemd direkt an meinen Busen. Ich kenne diese Hand, habe sie schon hundertmal auf meiner Brust gespürt, doch diesmal ist es anders, diesmal fühle ich nichts als Beklemmung.
    „Talvin, du bist zurückgekehrt!“, seufze ich ängstlich. „Wo warst du, ich habe dich nicht mehr gefunden.“
    „Du weißt genau, wo ich gewesen bin, Adriana.“ Die Bedeutung dieser Worte liegt unausgesprochen zwischen uns und widerstandslos lasse ich mich zurück in den mit stickiger Luft erfüllten Kokon ziehen. Das Atmen fällt mir immer schwerer und als ich meinen Kopf auf Talvins Brust lege, spüre ich, wie meine Wange feucht wird. Verwirrt streiche ich über mein Gesicht, betrachte meine Hand, die plötzlich blutrot leuchtet. Dann sehe ich Talvins von Messerstichen zerfetzte Brust, die er mir anklagend entgegenstreckt.
    „Na los doch!“, flüstert er. „Mach ein Foto davon. Schieße mich einfach ab, wie deine anderen Opfer. Das findest du doch so aufregend. Immer alles fotografieren, nur mich nicht! Denn von mir darf es keine Fotos geben. Wie findest du das? Das ist nicht normal, Adriana! Das ist krank, krank, krank!“
    Vor Angst zitternd weiche ich zurück, versuche die Kamera zu heben, aber ich habe keine Kraft mehr. Mit spöttischer Miene beobachtet Talvin meine vergeblichen Bemühungen.
    „Hat dich der Mut verlassen? Wolltest wieder zurück in den sicheren Hafen deiner Ehe. Alles vergessen, was geschehen ist. Mich einfach benutzen und dann vor die Tür setzen? Macht ihr das hier so in Europa? Du jedenfalls wolltest es genau so, Adriana!“ Sein anklagend vorgestreckter Zeigefinger zielt wie eine Waffe direkt zwischen meine Augen.
    „Ich will eine Antwort!“
    Verstört zucke ich zusammen, stoße an die Kante meines Bettes, verliere das Gleichgewicht, falle auf die Matratze und liege wehrlos auf dem Rücken.
    „Jetzt bin ich hier und ich werde dich nie wieder verlassen, Adriana. Wir beide gehören zusammen, für immer!“
    Die Luft in dem Kokon, der mein Schlafzimmer umgibt, ist verbraucht und alles, was ich an Atem noch habe, ist in meinen Lungen. Ich halte die Luft an. Talvins nackte Brust reibt sich an mir und aus seinem offenen pulsierenden Herz schießt das Blut über meinen Körper.
    „Das hättest du nicht tun dürfen, Adriana!“, flüstert er immer und immer wieder, wankt auf mich zu, will meinen Kopf packen und an seine Brust drücken, damit ich den Schlag seines zerstochenen Herzens spüre, damit ich weiß, dass er tot ist. Erst wenn ich ganz sicher bin, kann ich wieder schlafen.

5. Mittwoch – Morgengrauen

    Das Gefühl, vollkommen gelähmt zu sein, ist grauenhaft. Genauso fühle ich mich aber, als ich beim ersten Morgengrauen erwache. Ich kann weder meine Arme noch meine Beine bewegen und wenn ich versuche, den Kopf zu drehen, dann beginnt mein Nacken zu pochen und zu stechen. Mein ganzer Körper ist eine einzige Schmerzzone, so als wäre jeder Quadratzentimeter systematisch durchgeprügelt worden. Selbst wenn ich meine Finger bewege, durchzuckt mich ein brennender Schmerz.
    Gierig sauge ich die Luft ein, doch wie immer, ist es zu wenig und ich beginne hektisch, durch den Mund zu atmen. Ich weiß, ich muss an eine weite Landschaft ohne einengende Mauern denken, aber der Ort, an dem ich mich befinde, ist denkbar ungeeignet für diese Gedanken. Doch kurz bevor ich glaube, ersticken zu müssen, löst sich die Verspannung und mein Herzschlag normalisiert sich.
    Langsam versuche ich mich zu orientieren. Nach und nach verflüchtigen sich auch die Lähmungserscheinungen, die wahrscheinlich nur davon kamen, dass ich auf den harten Bodenbrettern eingeschlafen bin. So muss es gewesen sein, denn ich habe keine Ahnung, wie ich hierhergekommen bin. Auch meine Atemnot wurde von dem Ort hervorgerufen, an dem ich soeben aufgewacht bin. Es ist das weiße Zimmer.
    Seit fünf Jahren habe ich

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