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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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hübsches Kleid umgab sie, als habe sie es ausgebreitet, ehe sie zu Boden gesunken war. Sie war um die Dreißig und sah aus, als käme sie aus der Stadt. Sie hätte die Ferien hier verbringen oder die Dorfschullehrerin sein können. Sie lag mit offenen Augen da und strahlte noch im Tod gelassene Unabhängigkeit, Selbstbewusstsein, Bildung aus. Ihre Bauchverletzung blutete nicht mehr, aber die rote Kruste in ihrem zerrissenen Kleid war mit einer dicken Samtschicht bebender Fliegen überzogen.
    Die anderen fanden sie auf dem Platz vor der Kirche, in einer Reihe vor den Wänden liegend, andere in halboffenen Türen zusammengesackt, mehrere häuften sich auf einem leichten Fuhrwerk, vor dem ein noch angespanntes Pferd stand, das sich nicht rührte, sondern nur mit den Augen blinzelte und die Ohren bewegte. Die Fliegen flogen von einer Leiche zur anderen, sie bildeten Wirbel, ihr Summen erfüllte die Luft.
    Die Maquisarden rückten mit vorsichtigen Schritten vor, blieben in einer mustergültigen Kolonne und wahrten den Abstand, wie sie es noch nie getan hatten. Die vibrierende Luft ließ keinen anderen Laut zu, sie hätten darüber fast vergessen, dass sie der Sprache mächtig waren. Sie hielten sich unwillkürlich Mund und Nase zu, um sich vor dem Gestank und den Fliegen zu schützen; und um sich selbst und ihren Kameraden zu zeigen, dass ihnen das den Atem verschlug und sie nichts sagen konnten. Sie fanden achtundzwanzig Leichen in den Straßen von Porquigny. Der einzige junge Mann unter ihnen war ein Junge von etwa sechzehn Jahren in einem offenen weißen Hemd, mit einer langen, in die Stirn fallenden blonden Strähne und auf dem Rücken mit einem Seil zusammengebundenen Händen. Sein Nacken war von einer aus allernächster Nähe abgeschossenen Kugel aufgerissen, die sein Gesicht verschont hatte. Die Fliegen krochen nur über seinen Hinterkopf.
    Sie verließen Porquigny in Richtung des weiter unten errichteten Bahnhofs, jenseits der sich mit Wiesen ablösenden Wäldchen hinter einer Pappelreihe. Plötzlich waren ein Pfeifen und eine Reihe von Explosionen zu hören, die den Boden vor ihnen aufrissen. Die Erde zitterte und ließ sie stolpern. Anschließend hörten sie das dumpfe Geräusch der Abschüsse. Eine zweite Salve folgte, die rings ums sie herum einschlug und Erde und feuchte Splitter auf sie einhageln ließ. Sie zerstoben, um hinter Bäumen Deckung zu suchen oder rannten ins Dorf zurück, manche blieben auf dem Boden liegen. »Der Panzerzug«, sagte Brioude, aber niemand hörte ihn, seine Stimme ging unter im Donner des Panzerbeschusses, und es folgte die allgemeine Flucht. Der Boden bebte, der mit Erdklumpen vermischte Rauch fiel nur langsam nieder, ein Regen aus kleinen Trümmern ging rings um sie herum und auf sie nieder, alle waren wie taub und blind, zu Tode erschrocken, und rannten so schnell wie möglich ins Dorf, sie dachten an nichts anderes als an Flucht.
    Als sie bei den Häusern ankamen, fehlten einige von ihnen. Die Salven hörten auf. Sie vernahmen Motorengeräusche. Drei Tiger-Panzer tauchten vor der Pappelwand auf und fuhren die Straße nach Porquigny hinauf. Sie ließen Kettenspuren aus umgedrehter Erde hinter sich, und grau gekleidete Männer folgten ihnen im Schutz der großen Metallblöcke, deren ununterbrochenes Knirschen sie hörten.
    Der erste Schuss drang durch ein Fenster und explodierte in einem Haus, das Dach fiel ein. Die Balken knarrten, die Ziegel rutschten mit dem Klirren von Tonscherben hinab, und eine Säule aus rötlichem Staub erhob sich über der Ruine und ging in den Straßen nieder.
    Die Maquisarden suchten in den Häusern Deckung. Die grau gekleideten Soldaten hinter den Panzern gingen gebeugt, um nicht in die Schusslinie zu geraten. Sie rückten gemeinsam vor, schossen nicht, blieben stets in Deckung, die Panzer bahnten ihnen den Weg. Die den Kampf suchenden jungen Franzosen in weißen Hemden würden von den Deutschen wie Nussschalen zermalmt werden. Nicht so sehr von den Panzern als vielmehr von der straffen Organisation.
    Als die Panzer in Schussweite waren, prallten die Kugeln der Maschinengewehre von der dicken Panzerung ab, ohne ihr etwas anzuhaben. Die Tiger-Panzer rückten näher und zerquetschten das Gras. Wenn sie ihre Kanone abfeuerten, hob sich ihre schwere Masse mit einem lauten Seufzer, und im Dorf stürzte eine Mauer ein.
    Roseval und Salagnon hatten Zuflucht in einem Haus gesucht, dessen Tür sie mit Fußtritten geöffnet hatten. Eine Familie ohne präsenten

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