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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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sich und Blut spritzte aus dem zerfetzten Fleisch.
    Die jungen Männer rannten jetzt ohne jegliche Vorsichtsmaßnahmen im Schatten der Steinhäuser durch die stille Gasse. Sie stießen auf zwei Deutsche, die hinter einem Brunnen lagen und die Gewehre auf die Hauptstraße gerichtet hatten. Doch sie überwachten die falsche Richtung. Das Geräusch der schnellen Schritte hinter ihnen warnte sie, aber als sie sich umwandten, war es schon zu spät: Brioude rannte mit zusammengekniffenen Lippen und Augen wie Schlitzen auf sie zu und feuerte aus einem Reflex heraus seine Sten Gun ab, die er mit ausgestreckten Armen vor sich hielt, als schütze er sich vor etwas oder als liefe er im Dunkeln und befürchtete, an etwas zu stoßen. Die beiden Deutschen sackten mit verrutschtem Helm zusammen und verbluteten. Die jungen Männer hielten nicht inne, sie sprangen über die beiden Soldaten und näherten sich dem verschanzten Maschinengewehr.
    Sie kamen ganz nah, sahen die Helme über den Sandsäcken und den glitzernden, gelöcherten Laufmantel der Waffe. Roseval schleuderte sogleich eine Handgranate und warf sich zu Boden; doch er hatte sie nicht weit genug geworfen, sie rollte vor die Sandsäcke und explodierte, Erde und Steine flogen über ihre Köpfe, Metallstücke fielen klirrend zu Boden. Als sich die Staubwolke gelegt hatte, blickten die vier Männer wieder hin. Die Helme und die Waffe waren verschwunden. Sie schlichen langsam weiter, um kein Risiko einzugehen, machten einen Bogen, bis sie sicher waren, dass der Platz leer war. Da richteten sie sich auf, Sencey war eingenommen.
    Vom Portalvorbau der Kirche konnten sie weiter unten die schachbrettartig mit Hecken übersäte Landschaft überblicken. Die Wiesen zogen sich in einer sanften Senke bis nach Porquigny hin. Der Bahnhof des Ortes war zu erkennen, dahinter die von Bäumen gesäumte Saône und die im gleißenden Licht liegende Ebene, die vor ihren Augen fast verschwamm. Auf der Straße nach Porquigny entfernten sich holpernd drei Lastwagen. Wenn sich die Sonne bei einer Kurve oder einem Buckel der Straße in ihren Scheiben widerspiegelte, blitzten sie auf. Da, wo sich die Züge befinden mussten, stiegen zwei senkrechte Rauchsäulen über den Gleisen in den Himmel auf.
    Vor dem Kirchenportal ganz am Ende des Dorfes, von wo aus man die Landschaft ringsumher sehen konnte, musste Salagnon sich setzen; seine Muskeln zitterten, seine Glieder trugen ihn nicht mehr, er schwitzte. Der Schweiß rann ihm aus allen Poren, als sei seine Haut nur ein Wattebausch, er triefte geradezu, und das stank und klebte. Er saß dort, umklammerte seine Waffe, damit wenigstens die nicht zitterte, und dachte an Mercier, den Pechvogel, den es mitten im Sprung erwischt hatte und den sie auf der Straße hatten liegen lassen müssen. Aber irgendjemand von ihnen musste auf der Strecke bleiben, das war seit jeher die Regel, und ihn überkam große Freude und das Gefühl großer Absurdität, am Leben geblieben zu sein.
    Porquigny einzunehmen war leicht. Sie brauchten nur auf den Wegen hinablaufen und sich hinter den Hecken verstecken. In Porquigny würden sie auf die Bahnlinie, die große Straße und die Saône stoßen; und dann würde die neue französische Armee eintreffen und bald auch die Amerikaner, die nach Norden zogen, so schnell das schwere Gepäck es ihnen erlaubte.
    Sie glitten durch die Wiesen, erreichten die ersten Häuser. Hinter den Hausecken versteckt horchten sie. Dicke, träge Fliegen gingen ihnen auf die Nerven, sie verjagten sie mit kleinen Bewegungen. Sie hörten nichts anderes als den Fliegenschwarm. Die Luft ringsumher war von lautem Summen erfüllt; aber von Hitze vibrierende Luft macht kein Geräusch: Die sieht man nur, Linien verziehen sich, man sieht schlecht, man klimpert mit den Wimpern, damit sie nicht verkleben und wischt sich die Augen mit schweißnasser Hand ab. Heiße Luft macht kein Geräusch, es waren die Fliegen. Im Dorf Porquigny bildeten die Fliegen faule Schwärme, die ununterbrochen summten. Sie mussten die Fliegen mit energischen Gesten verscheuchen, aber die reagierten nicht, oder nur kaum, sie flogen auf und ließen sich wieder an derselben Stelle nieder. Sie fürchteten keine Drohungen, nichts konnte sie vertreiben, sie klebten am Gesicht, an den Armen, an den Händen, überall dort wo Schweiß austrat. Die Luft im Dorf vibrierte von der unangenehmen Hitze und von Fliegen.
    Die erste Leiche, die sie sahen, war die einer auf dem Rücken liegenden Frau; ihr

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