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Die Frau aus Alexandria

Die Frau aus Alexandria

Titel: Die Frau aus Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Mahdi ist zwar tot, aber das hat nicht viel zu bedeuten. Da im Sudan wimmelt es von Derwischen — verdammte Irre!« Seine Stimme zitterte ganz leicht. »Wenn die eine Gelegenheit dazu hätten, würden die jeden Einzelnen von uns umbringen. Und jetzt kommen Sie her, um sich nach dem Ruf eines einzelnen Soldaten zu erkundigen, der vor zwölf Jahren in Alexandria gedient hat und in London umgebracht wurde. Mann Gottes, sind Sie denn nicht fähig, einen verdammten Minister aus der Sache rauszuhalten, ohne hier herumzutapsen und meine Zeit mit Fragen zu vergeuden?«
    »Ich würde weniger davon vergeuden, wenn Sie mir etwas über Lovat erzählen würden«, gab Pitt zurück. »Können Sie mir keinen Offizier nennen, von dem ich Genaueres und Ehrlicheres erfahren kann als das, was in den Unterlagen des Militärarchivs steht? Lovat hat die Frau, die unter Anklage steht, hier kennen gelernt.«
    »Tatsächlich? Er hat sie sitzen lassen, und sie hat ihm das all die Jahre nachgetragen? Bemerkenswert. Geht es um Vergewaltigung?« Margason klang verächtlich, schien sich aber nicht sonderlich betroffen zu fühlen. Pitt war nicht einmal sicher, ob sein Abscheu Lovat oder dessen Opfer galt.
    »Kommt es oft vor, dass Ihre Leute hier in der Gegend Frauen vergewaltigen?«, erkundigte sich Pitt mit unschuldig klingender Stimme. »Vielleicht hätten Sie weniger Schwierigkeiten, Ausbrüche von Feindseligkeit zu verhindern, wenn Sie dem einen Riegel vorschieben würden.«
    »Hören Sie, Sie unverschämter ...«, stieß Margason hervor und fuhr wie ein angreifendes Raubtier zu Pitt herum.
    Dieser rührte sich nicht. »Ja?«, fragte er mit gehobenen Brauen.
    Margason richtete sich wieder auf. »Ich war zu der Zeit, um die es geht, auch hier, damals noch im Rang eines Majors. Über Lovat ist mir lediglich bekannt, dass er ein guter Soldat war, wenn auch kein herausragender. Er hat einer Einheimischen den Hof gemacht, aber soweit ich gehört habe, gab es dabei keine Komplikationen. Eine einfache Geschichte: ein junger Mann, der sich romantische Vorstellungen von einer exotischen Frau macht. Sie hat sich nie beschwert, und er wurde als dienstuntauglich nach Hause geschickt.«
    »Aus welchem Grund?«
    »Was weiß ich? Irgendein Fieber. Damals hat niemand besonders darauf geachtet. Es war die Zeit kurz nach dem Zwischenfall am Heiligtum, das von Moslems wie Christen verehrt wurde, und wir mussten täglich mit einem Aufstand rechnen. Mehr als dreißig Menschen sind da bei einem Feuer umgekommen, lauter Moslems. Da können Sie sich denken, dass die Atmosphäre äußerst angespannt war. Man musste befürchten, dass es zu religiös motivierten Übergriffen kam. Oberst Garrick hat eine ganz entschiedene Linie vertreten und die Sache im Keim erstickt: Er hat dafür gesorgt, dass die Toten beerdigt wurden, ein Denkmal bekamen, und auch einen Posten dahin gestellt. Wenn er dahinterkam, dass jemand einen Moslem nicht mit der nötigen Achtung behandelte, kriegte der Betreffende Kasernenarrest.«
    »Und ist es zu weiteren Zwischenfällen gekommen?«, fragte Pitt. Ihm kam in den Sinn, was Ishaq gesagt hatte.
    »Nein«, gab Margason ohne Zögern zur Antwort. »Ich habe Ihnen ja schon gesagt, Garrick wusste, was er tat. Allerdings musste
er sein ganzes Geschick aufbieten und für strengste Disziplin sorgen, um Ruhe zu schaffen. In einer solchen Lage denkt wohl niemand an einen Mann, der sich von einem Fieberanfall erholt.«
    »Ist es üblich, Fieberkranke in die Heimat zu entlassen?«
    »Bei einem periodisch wiederkehrenden Fieber wie Malaria oder dergleichen durchaus.« Der Oberst schüttelte den Kopf. »Von mir aus können Sie sich gern den Bericht des Regimentsarztes ansehen. Ich habe allerdings keine Zeit, ihn herauszusuchen. Soweit ich weiß, war Lovat ein guter Offizier, den man aus gesundheitlichen Gründen entlassen hat. Ein Verlust für die Armee, doch gibt es für Leute wie ihn auch in England reichlich Arbeit. Sprechen Sie, mit wem Sie wollen, aber setzen Sie bloß keine Gerüchte in die Welt, und vergeuden Sie unsere Zeit nicht.«
    Pitt erhob sich. Es war deutlich, dass Margason ihm mehr nicht sagen würde, und da er auch seine eigene Zeit nicht vergeuden wollte, dankte er ihm.
    Er verbrachte den Rest des Tages damit, andere Soldaten nach Lovat zu fragen. Während er ihnen zuhörte, gewann er einen weit umfassenderen Eindruck von dem Mann. Besonders nützlich war ihm, was ein hagerer, wettergegerbter Hauptfeldwebel zu berichten hatte, der

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