Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich
sich nicht herausfinden. Er mag Ady und Jupp geholfen haben, die nötigen Papiere zusammenzubekommen, womöglich wohnte er im gleichenHaus in der Bergheimer Straße wie die beiden und hat mit ihnen auf die Hochzeit angestoßen, mit Wein aus den Beständen der US-Army? Jedenfalls war Wendell Van Dyke bei der US-Army gewesen. Ein Beleg dafür findet sich auf dem Calverton National Cemetery in New York. Dort wurde er, geboren am 3. August 1906, gestorben am 17. Februar 1984, beerdigt. Sein militärischer Rang wird mit Corporal angegeben, einem höheren Mannschaftsgrad.
Wendell (ganz li.) und Sophie (Mitte, in der weißen Bluse) bei Maria und Firmin in Antwerpen.
Das allein wäre noch kein ausreichendes Indiz, den richtigen gefunden zu haben, Wendells mit gleichem Namen mag es mehrere geben. Doch im Grab daneben wurde nur drei Monate später seine Frau, Sophie Van Dyke, geboren am 12. Mai 1897, beigesetzt.
Im Juli 1955 zeigt Ady ihren Eltern, wo sie geheiratet hat. Vor dem Schloss lässt sie sich zusammen mit Maria und Firmin und den beiden New Yorkern fotografieren. Es ist ein typisches Touristenfoto, wahrscheinlich eine Führung mit abschließendem Gruppenbild. Es ist Sommer und Jupp muss sein Geschäft geöffnet halten. Er ist also nicht mit dabei.
Im September 1955 bedankt sich Ady herzlich auch im Namen von Jupp bei Sophie und Wendell, »it was very nice to have thought on our tenth anniversary«. Am 22. September 1945 hatten sie geheiratet. Während Wendell und Sophie zu ihrer Deutschlandtour aufbrechen, fahren Firmin und Maria mit nach Bottrop. Es wird Firmins erster Besuch bei seinem Schwiegersohn.
Sie haben keine Kinder – sie schaffen sich ein Auto an und ein Hündchen.
Firmin sieht zum ersten Mal, wie seine Tochter lebt, zum ersten Mal Jupps Geschäft. Mit dem Zimmer in der Steinbrinkstraße kann Firmin nicht einverstanden sein, es ist zu klein. Ady und Jupp sollen dort ausziehen, sich eine größere Wohnung nehmen, Möbel und Gemälde könne Firmin aus Antwerpen beisteuern. Aber trotz aller Vorbehalte muss er zugeben, Jupps neuer Laden macht etwas her: zwei große Schaufenster rechts und links der Tür, der Verkaufsraum voller Fahrräder und Roller, Kinderwagen und Zubehör. Jupp gibt den erfolgreichen Geschäftsmann und Mechaniker, wahrscheinlich bestellt er an diesen Tagen für den rechten Eindruck seinen Helfer Jakob ein.
In Antwerpen bleiben die Amerikaner eine Weile bei Maria undFirmin. Ady korrespondiert in den folgenden Jahren mit Wendell und Sophie – er nennt Ady zärtlich sein »little dump cup« – und Ady hilft Maria als Übersetzerin ihrer Briefe nach New York.
Adys Briefe wiederum sind nur als Entwürfe erhalten, recht kurze herzliche Schreiben. Englisch lernte Ady erst nach dem Kriegsende, wir erinnern uns an die Vokabeln auf der Rückseite des Meldescheins in Heidelberg – vielleicht war damals bereits Wendell ihr Ansporn dazu gewesen –, und sie spürt, wie hilflos sie sich in der ungewohnten Sprache ausdrücken muss. Wendell schreibt einmal, die neue Kamera, die er in Germany gekauft hat, habe Macken, Ady hätte sich doch die Gebrauchsanweisung einmal durchlesen sollen. Die Fotos von Köln, »Keulen«, schreibt er, seien leider nichts geworden. Ady fragt, welche Stadt die aufregendere ist, London oder Paris, und in Bottrop denken sie darüber nach, ob Jupp nach New York reisen könnte. Über den Atlantik werden über die Jahre Fotos hin und her geschickt, Maria besorgt in Antwerpen Medizin für Wendell, und Sophie schickt aus New York Unterwäsche für Jupp.
Epilog
An dieser Stelle endet meine Geschichte von Ady. Nach den dramatischen Ereignissen vor allem während des Zweiten Weltkriegs führte sie an der Seite von Jupp ein relativ normales Nachkriegsleben.
Es war ein stilles Leben. Ab und an ein Besuch bei den Eltern, eine kleine Urlaubsfahrt mit Jupp an den Rhein oder die Nordsee, ein paar Ausflüge. Das neue Geschäft lief gut, Ady und Jupp konnten nach gut zehn Jahren das Haus der Verwandten in der Steinbrinkstraße verlassen und eine größere Wohnung über ihrem Laden beziehen. Maria und Firmin schickten Möbel und Bilder, und Jupp und Ady leisteten sich ein neues Schlafzimmer, Marke »Sensation«.
Renée in Antwerpen fand endlich ebenfalls ihre Liebe, auch er ein ehemaliger Daimler-Mitarbeiter und Bekannter von Ady und Jupp, und heiratete 1957. Sie besuchte Ady nur selten. Ihre Freundschaft hatte sich vertieft, als sie weit weg waren von zuhause, fremdbestimmt und
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