Die Frau des Highlanders
würde. Jesse hatte recht. Richard war ein Mistkerl. Aber sie konnte ihm nicht die alleinige Schuld geben. Sie hatte alles ignoriert, was sie an ihm störte, weil sie glaubte, sie müsste endlich verliebt sein. Und Richard war ihr als perfekter Kandidat erschienen. Er war groß und durchtrainiert, blond, intelligent und sah ungewöhnlich gut aus. Er hielt ihr die Tür auf, ging Hand in Hand mit ihr, begleitete sie, wohin immer sie wollte. Er war aufmerksam und liebevoll. Er war stets Herr der Lage und wirkte wie ein Magnet auf andere Menschen. Er war immer beherrscht und souverän. Er war nicht nur alles, was sie sich von einem Mann wünschen konnte – er war alles, was sie selbst sein wollte. Und er hatte sie geliebt.
Nein. Er hatte sie benutzt. Er hatte sie nie geliebt. Er hatte es genossen, durch sie all die wichtigen Leute kennenzulernen, die für sie nichts Besonderes waren, da sie dank der Firma ihres Vaters immer Teil ihres Lebens gewesen waren. All diese mächtigen, berühmten Menschen, die für einen ehrgeizigen Anwalt mit politischen Ambitionen von großer Bedeutung waren. Und alle hatten zugesehen, wie er sie zum Narren hielt – nein, wie sie sich selbst zum Narren machte.
Cates Knie gaben nach, und sie sank auf das Fußende des Bettes. Richard mochte sie benutzt haben, aber sie hatte ihn ebenfalls benutzt. Sie hatte sich verlieben wollen, und als er ihr begegnete, hatte sie sich eingeredet, dass es passiert war. Sie hatte ihn genauso wenig geliebt wie er sie. Ein ganzes Jahr lang hatte sie sich etwas vorgemacht.
»Dafür, dass du beinahe ein Genie bist, bist du ziemlich dämlich, Cate Coryell. Du hattest zwar den Unterrichtsstoff so schnell intus, dass du ein paar Klassen überspringen konntest, aber was das Leben angeht, hast du nichts kapiert.«
Sie würde ihre Haare nicht glätten, sich nicht schminken und nicht groß anziehen müssen, denn sie würde Richard heute Abend nicht zu dem Dinner begleiten.
Und sie würde ihn nicht heiraten.
Sie stand auf und ging in die Küche. In dem geschlossenen Fach über dem Kühlschrank stand eine Flasche, die ihr Bruder Cody ihr vor drei Jahren zum Einundzwanzigsten mit der Ermahnung geschenkt hatte, den Inhalt mit Vorsicht zu genießen. Da sie keinen Alkohol trank, hatte sie noch nie davon gekostet, doch sie fand, dass sie sich zur Feier ihrer Freiheitserklärung einen Schluck verdient hatte.
»›An dram buidheach‹«
, las sie laut, was auf dem rückwärtigen Etikett stand. »›Der Drink, der Zufriedenheit schenkt.‹ Genau, was ich jetzt brauche. ›Hergestellt in Schottland‹.«
Seit dem College und dem Besuch des Kurses »Geschichte des Mittelalters« hatte sie nach Schottland reisen wollen, in dieses Land mit der tragischen, turbulenten und gleichzeitig so romantischen Vergangenheit. Sie hatte die Stunden genossen, die Geschichte aufgesaugt wie ein Schwamm.
Cate hatte Richard sogar vorgeschlagen, die Flitterwochen in Schottland zu verbringen, aber er war auf Belize fixiert, wo der Seniorpartner der Kanzlei mit Vorliebe Urlaub machte.
Nun, das ist jetzt kein Problem mehr.
Cate öffnete die Flasche, goss etwas von der goldklaren Flüssigkeit in eines ihrer hübschen Weingläser, klemmte sich die Flasche unter den Arm und kehrte ins Schlafzimmer zurück.
»Es ist an der Zeit, hier einiges auszusortieren.«
Sie trank einen Schluck, rang nach Luft und hustete. Cody hatte recht gehabt – das Zeug war wirklich mit Vorsicht zu genießen.
Sie trat in den begehbaren Kleiderschrank, stieg über eine umgefallene Holzkiste und holte von dem Bord über der Kleiderstange eine mit einem smaragdgrünen Band verschnürte Schachtel herunter. Vorsichtig, als wäre der Inhalt zerbrechlich, stellte sie sie aufs Bett, öffnete sie und hob die alte, elfenbeinfarbene Spitzenrobe heraus, die ihre Großmutter und später ihre Mutter bei ihrer Hochzeit getragen hatten. Und sie, Cate, hätte beinahe Richard zuliebe darauf verzichtet, sie zu tragen!
Nie wieder würde sie auch nur darüber nachdenken, einen ihrer Träume zu opfern! Nie wieder würde sie auch nur darüber nachdenken, weniger als das Optimale zu akzeptieren. Und wenn sich herausstellen sollte, dass sie zu den Frauen gehörte, für die es den einen Einzigen nicht gab? Dann sollte es eben so sein. Allein wäre sie auf jeden Fall besser dran als aus den falschen Gründen mit dem falschen Mann zusammen.
Mit energischen Schritten kehrte sie in die Schrankkammer zurück, holte einen Kleidersack heraus,
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