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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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allmorgendliche Routine lief in unserer Familie normalerweise zeitversetzt ab: Gewöhnlich hatte mein Vater bereits das Haus verlassen, wenn ich nach unten kam. Dort lagen dann die einzelnen Teile des
Riley Citizen
über den Tisch verteilt, meine Mutter stand an der Spüle, und wenn ich mich anschließend auf den Weg zur Schule machte, schlief meine Großmutter noch immer. Doch an diesem Morgen lief ich sofort, nachdem mein Wecker geklingelt hatte, noch im Nachthemd die Treppe hinunter und sagte zu meinem Vater: »Ich könnte mir meine Fahrkarte selbst kaufen, dann muss Granny sie nicht bezahlen.«
    Ich bekam drei Dollar Taschengeld die Woche und hatte im Laufe der letzten Jahre über fünfzig Dollar gespart, die auf einem Konto bei der Bank meines Vaters lagen.
    Meine Eltern sahen einander an. »Ich wusste gar nicht, dass du so versessen darauf bist, nach Chicago zu fahren«, sagte mein Vater.
    »Ich dachte nur, falls es an der Fahrkarte liegt …«
    »Das besprechen wir beim Essen«, sagte er.
    Das Tischgebet, das mein Vater jeden Abend sprach, lautete:»Komm, Herr Jesus, sei unser Gast und segne, was du uns bescheret hast. Danket dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich«, woraufhin wir anderen mit »Amen« antworteten. An diesem Abend sagte er, nachdem wir unsere Köpfe wieder gehoben hatten: »Der Grund für meine Bedenken bezüglich Alices Reise nach Chicago, Mutter, sind die Umstände, die dabei für Gladys entstehen. Ich habe daher telefoniert und für euch beide ein Zimmer in einem Hotel namens Pelham reserviert. Ihr seid eingeladen.«
    Als ob auch sie zum ersten Mal davon hörte, rief meine Mutter aus: »Ist das nicht großzügig von Daddy!« Mit normaler Stimme fügte sie hinzu: »Alice, reich deiner Großmutter den Brokkoli.«
    »Ein Kollege von mir, Mr. Erle, hat früher in Chicago gelebt«, sagte mein Vater. »Laut seiner Aussage ist das Pelham ein sehr schönes Hotel, und es liegt in einer sicheren Gegend.«
    »Du weißt schon, dass Gladys in einer überaus geräumigen Wohnung mit mehreren Gästezimmern lebt?« Es war schwer zu sagen, ob meine Großmutter verärgert oder amüsiert war.
    »Granny, wir kennen Mrs. Wycomb einfach nicht so gut wie du«, sagte meine Mutter. »Uns wäre nicht wohl dabei, ihre Gastfreundschaft als selbstverständlich vorauszusetzen.«
    »Doktor«, erwiderte meine Großmutter. »Dr. Wycomb. Und Phillip, du kennst sie gut genug, um zu wissen, dass sie darauf bestehen wird, uns bei sich unterzubringen.«
    »Gladys Wycomb ist Ärztin?«, fragte ich.
    Wieder sahen sich meine Eltern an. »Ich sehe kein Problem darin, ein- oder zweimal mit ihr zum Essen zu gehen«, sagte mein Vater.
    »Was für eine Ärztin ist sie denn?«, fragte ich.
    Alle drei wandten sich mir zu. »Frauenleiden«, sagte meine Mutter, und mein Vater fügte hinzu: »Dieses Thema gehört nicht an den Esstisch.«
    »Sie war die achte Frau im Staat Wisconsin, die einen Abschluss in Medizin gemacht hat«, sagte meine Großmutter. »Ich weiß ja nicht, wie du das siehst, aber als jemand, dergerade mal die Temperatur von einem Fieberthermometer ablesen kann, ziehe ich meinen Hut vor dieser Leistung.«
     
    Ich war mit dem Namen Gladys Wycomb großgeworden – aufgrund der regelmäßigen Fahrten meiner Großmutter schien sie mir jedoch weniger eine Person als vielmehr ein weit entferntes, wenn auch nicht gänzlich unbekanntes Reiseziel zu sein – doch erst jetzt, im Vorfeld meiner eigenen Reise nach Chicago, fiel mir auf, wie wenig ich eigentlich über sie wusste. Ein paar Stunden später, ich lag bereits mit einem Roman von Agatha Christie im Bett, kam meine Mutter in mein Zimmer, um mir gute Nacht zu sagen. »Warum mag Dad Dr. Wycomb nicht?«, fragte ich sie.
    »Oh, ich würde nicht sagen, dass er sie nicht mag.« Meine Mutter hatte mir gerade einen Kuss auf die Stirn gegeben und stand über mir, doch nun setzte sie sich auf die Bettkante und legte in Höhe meiner Knie ihre Hand auf die Decke. »Dr. Wycomb und Daddy kennen sich, seit er ein kleiner Junge war. Sie kann manchmal etwas rechthaberisch sein und denkt, alle müssten ihre Ansichten teilen. Du wirst dich wahrscheinlich nicht mehr an ihre Besuche erinnern, beim ersten warst du gerade erst auf der Welt und beim nächsten vielleicht vier oder fünf. Doch etwas geschah bei diesem zweiten Besuch, eine Diskussion über Neger – ob sie Rechte haben sollten und solche Dinge. Dr. Wycomb ereiferte sich geradezu und schien unseren Widerspruch

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