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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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eben kannten. Andrews Mutter kam auf uns zu, legte sich die Hand auf die Brust und sagte zu meiner Großmutter: »Mrs. Lindgren, ich bin Florence Imhof. Wie geht es Ihnen?«
    Andrew und ich gingen seit dem ersten Schultag in die gleiche Klasse, sahen einander aber nur wortlos an. Wir waren beide acht. Während sich die Erwachsenen unterhielten, nahm er eine Dose Erbsen und klemmte sie sich zwischen Kinn und Handfläche. Ich fragte mich, ob er mir zu imponieren versuchte.
    In diesem Moment gab mir meine Großmutter einen leichten Schubs. »Alice, sag Mrs. Imhof guten Tag.« Wie es mir beigebracht worden war, streckte ich die Hand aus. »Und was für eine entzückende Tochter Sie haben«, fuhr meine Großmutter fort und deutete auf Andrew, »aber ich befürchte, ich weiß gar nicht, wie sie heißt.«
    Es folgte Stille, mit Sicherheit überlegte Mrs. Imhof, wie sie meine Großmutter korrigieren sollte. Schließlich legte sie ihrem Sohn die Hand auf die Schulter und sagte: »Das ist Andrew. Er und Alice gehen in die gleiche Klasse.«
    Meine Großmutter blinzelte. »
Andrew
, sagten Sie?« Dabei wandte sie ihren Kopf zur Seite und reckte ihr Ohr nach vorne, als höre sie schlecht, wenngleich ich wusste, dass dem nicht sowar. Sie schien Mrs. Imhofs versöhnliche Geste bewusst zu ignorieren, und ich hätte sie am liebsten am Ärmel gezupft, sie zu mir hinuntergezogen und ihr zugeflüstert: Granny, er ist ein
Junge
! Es war mir nie zuvor aufgefallen, dass Andrew wie ein Mädchen aussah – kaum etwas war mir bis zu diesem Zeitpunkt meines Lebens an Andrew Imhof aufgefallen –, doch in der Tat waren seine haselnussbraunen Augen von ungewöhnlich langen Wimpern umrahmt und seine hellbraunen Haare über den Sommer etwas zottelig geworden. Und wenn schon. Seine Haare waren vielleicht für die damalige Zeit und für einen Jungen etwas lang. Sie waren aber immer noch um einiges kürzer als meine, und es war rein gar nichts Mädchenhaftes an der Khakihose oder dem rot-weiß karierten Hemd, das er trug.
    »Andrew ist der jüngere unserer beiden Söhne«, sagte Mrs. Imhof, und in ihrer Stimme lag nun eine gewisse Schärfe, eine Spur Verärgerung. »Sein älterer Bruder heißt Pete.«
    »Tatsächlich?« Meine Großmutter schien die Situation endlich erfasst zu haben, war sich jedoch offenbar keiner Schuld bewusst. Sie beugte sich vor und nickte Andrew zu, der noch immer die Erbsendose festhielt. »Freut mich, dich kennenzulernen. Gib gut acht, dass meine Enkelin sich anständig in der Schule benimmt, und lass es mich ruhig wissen, wenn dem mal nicht so ist.«
    Andrew hatte bislang kein Wort gesagt. Ich war mir nicht sicher, ob er der Unterhaltung genug Aufmerksamkeit geschenkt hatte, um zu verstehen, dass seine Männlichkeit in Zweifel gezogen wurde. Jetzt aber begann er zu strahlen, wenn auch mit geschlossenen Lippen, so doch quer übers ganze Gesicht. Sein Lächeln gab mir das absurde Gefühl, eine Krawallmacherin zu sein, die es im Auge zu behalten galt. Meine Großmutter, die für ihr Leben gern Unfug trieb, lächelte verschwörerisch zurück. Nachdem sie und Mrs. Imhof sich voneinander verabschiedet hatten (unsere Suche nach Palmherzen hatte sich zu ihrer Enttäuschung als erfolglos erwiesen), wandten wir uns in die entgegengesetzte Richtung. Ich griff nach der Hand meiner Großmutter und raunte ihr in einem, wie ich hoffte, strafenden Ton zu: »
Granny

    Keineswegs leise gab sie zurück: »Du findest also nicht, dass dieses Kind wie ein Mädchen aussieht? Er ist ausgesprochen hübsch!«
    »Psst!«
    »Nun, es ist ja nicht seine Schuld. Aber ich kann nicht glauben, dass ich die Erste bin, der das passiert. Seine Wimpern sind bestimmt zwei Zentimeter lang.«
    Als wollten wir ihre Behauptung nachprüfen, drehten wir uns beide um. Inzwischen waren wir etwa zehn Meter von den Imhofs entfernt. Mrs. Imhof stand mit dem Rücken zu uns und beugte sich zu einem Regal hinunter. Andrew jedoch sah meine Großmutter und mich an. Er lächelte noch immer, und als sich unsere Blicke trafen, zog er zwei Mal die Augenbrauen nach oben.
    »Er flirtet mit dir!«, rief meine Großmutter aus.
    »Was bedeutet ›flirten‹«?
    Sie lachte. »Dass eine Person dich mag und versucht, deine Aufmerksamkeit zu erregen.«
    Andrew Imhof mochte mich? Zweifellos musste diese Information, wenn sie von einer Erwachsenen stammte – und nicht von irgendeiner Erwachsenen, sondern von meiner klugen Großmutter – stimmen. Dass Andrew mich mögen sollte, versetzte

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