Die Frau des Praesidenten - Roman
vielen Merkwürdigkeiten, die man als berühmter Mensch erlebt, dass man manchmal im Fernsehen, im Internet oder in einem Zeitungsartikel direkt angesprochen wird, aber nur rhetorisch, weil der Urheber offenbar nicht im Traum daran denkt, dass man das, was er sagt, tatsächlich sehen oder lesen könnte.)
Die vier Kommentatoren sitzen an einem länglichen dreieckigen Tisch und amüsieren sich über die Pointe, die der mit der Fliege ihnen serviert hat. Der Moderator sagt: »Die große Frage ist jetzt, ob die Demokraten die Gelegenheit ergreifen werden, noch einmal kräftig nachzutreten, während Blackwell neben seiner Supreme-Court-Kandidatin Ingrid Sanchez am Boden liegt.«
»Willst du das wirklich sehen?«, frage ich. Charlie vermeidet es normalerweise, sich die Fernsehnachrichten anzusehen, weil er davon ausgeht, dass die meisten Produzenten und Journalisten einen Hang zum Liberalismus haben. Fox berichtet noch am ehesten in seinem Sinne, aber selbst dann wird er nach einigen Minuten vor dem Fernseher nervös.
»Ich will nur nicht, dass du so tust, als wäre dein Verrat nicht überall das große Thema.« Charlie hält die Fernbedienung hoch und macht den Fernseher aus. »Du machst dir was vor, wenn du das glaubst.«
»Freut es dich nicht wenigstens, dass Edgar Franklin nach Hause gefahren ist?«
»Du meinst, weil du mich hintergangen und ihm alles gegeben hast, was er haben wollte?«
Ich setze mich auf die mit Brokat bezogene Bank am Fußende des Bettes (das Bettgestell ist aus französischem Walnussholz und wurde von Theodore und Edith Roosevelt angeschafft, und die Matratze ist eine maßgeschneiderte Simmons Beautyrest World Class mit Memory Foam und Pillowtop). Charlie steht immer noch drei oder vier Meter von mir entfernt hinter einem der Ohrensessel.
»Ich liebe dich«, sage ich.
»Vielleicht solltest du nebenan schlafen.«
»Hast du nicht gehört, was ich gerade gesagt habe?«
»Stellst du dir vor, dass wir uns jetzt küssen, und dann ist alles wieder gut, und morgen wirst du Mitglied bei Greenpeace? Ich begreife immer noch nicht, was zum Teufel eigentlich in dich gefahren ist.«
»Charlie, dass ich mit Colonel Franklin gesprochen habe, war doch nicht untypisch für mich. Er ist ein Vater, dessen Sohn gestorben ist, und dass das Weiße Haus ihn ignoriert hat, war mir mehr als unangenehm.«
»Dann hättest du mit mir darüber reden müssen, oder mit Hank, oder …«
»Ich
habe
mit dir geredet! Ich habe es zumindest versucht, aber vielleicht erinnerst du dich, dass du mir gerade heute Morgen die Zeitungen nicht geben wolltest, bis ich versprochen hätte, ihn nicht zu erwähnen.«
»Also habe ich dir quasi gar keine andere Wahl gelassen, als meine Außenpolitik in den Dreck zu ziehen?« Er sieht mich zweifelnd an. Charlie trägt noch immer den anthrazitfarbenen Anzug, das weiße Hemd und die rote Krawatte von heute Morgen – also haben wir uns beide nicht für die Gala umgezogen, wobei er inzwischen seine Krawatte gelockert und den obersten Knopf seines Hemdes geöffnet hat. Vielleicht bin ich zu nachgiebig, aber diese Kombination fand ich bei Männern schon immer bezaubernd, besonders bei meinem Ehemann. »Bist du jemals auf den Gedanken gekommen«, sagt er, »dass es langsam an der Zeit sein könnte, mir zu verzeihen, dass ich zum Präsidenten gewählt worden bin?«
Wir sehen einander an, und ich sage nichts. Schließlich antworteich mit einem Kloß im Hals: »Ich wollte nur deshalb nicht, dass du Präsident wirst, weil ich Angst hatte, dass es genau so werden würde wie jetzt.«
»Wie werden würde? Meinst du dich und mich?«
Ich schüttle den Kopf. »Nein, ich meine nicht uns. Eher die … diese Verantwortung. Wie viel auf dem Spiel steht, wenn man etwas entscheiden muss.« So wie jetzt reden Charlie und ich sonst nie miteinander. Wir tauschen uns darüber aus, wann er wo eine Rede halten wird, wann er wohin reisen wird oder was ich als Nächstes vorhabe. Wir sprechen über kleine, kurzfristige Angelegenheiten – ob er mit seiner Rede zur Lage der Nation zufrieden war, ob es auf dem Flug nach hier oder dort Turbulenzen gab, ob seine Erkältung schon zurückgegangen ist. Ich glaube, es wäre unerträglich, wenn wir uns die ganze ungeheuerliche Bedeutung und die weitreichenden Konsequenzen unserer heutigen Lebensweise vor Augen führen würden, und doch ist es genau diese Zurückhaltung, diese alltägliche Kommunikation zwischen uns, die uns an einen Punkt geführt hat, den wir nie bewusst
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