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Die Frau des Seiltaenzers

Die Frau des Seiltaenzers

Titel: Die Frau des Seiltaenzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Wirt persönlich auftischte, beklagte dieser die Sittenlosigkeit seiner Stadt, die einst als frömmste und gottesfürchtigste im Reich gegolten habe, während man sich heute kaum noch auf die Straße wagen dürfe. Eine Brandstiftung und zwei Morde innerhalb von zwei Tagen, davon einer im Dom! Welch eine Zeit!
    Matthäus Schwarz ließen die Klagen des Wirts kalt. Ihm steckte noch die lange Fahrt in den Knochen, von Würzburg her, wo die Bauernaufstände deutliche Spuren, vor allem auf den Straßen, hinterlassen hatten.
    Wie alle Wirte war auch der vom ›Wilden Mann‹ ein Ausbundan Neugierde und Indiskretion – auch wenn er genau das Gegenteil von sich behauptete. Und so erkundigte er sich zwischen zwei Bechern Frankenwein, ob Schwarz gedenke, die Schulden von Fürstbischof Weigand einzutreiben. Schließlich pfiffen die Spatzen von den Dächern, dass Seine Exzellenz bereits die Opferstöcke plündere und begonnen habe, den Kirchenschatz zu veräußern.
    Da schwoll dem Fuggerschen Abgesandten auf der Stirne eine blaue Ader, ein Zeichen aufkeimender Wut, und er stellte dem feisten Wirt die Frage, wie hoch die Summe seiner eigenen Verbindlichkeiten sei und wann er gedenke, diese zu begleichen.
    Das verstand der Wirt vom ›Wilden Mann‹, und er bat Schwarz um Verzeihung wegen seines losen Mundwerks.
    In der Wirtsstube war nur einer der langen Tische, an denen zu beiden Seiten acht Zecher Platz fanden, besetzt. An diesem Abend hatten sich nur zwei Reisende eingefunden. Den Bamberger Bürgern saß das Geld längst nicht mehr so locker, sie blieben zu Hause. Die beiden Männer in dunklen Mänteln mit breiten Schulterkrägen redeten flüsternd aufeinander ein. Es mochten Gelehrte sein oder Medici auf der Suche nach einer bezahlten Beschäftigung.
    Der Fugger-Abgesandte wunderte sich, vermied es jedoch zu fragen, wer die beiden seien, oder gar mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Mit einem Ohr folgte Matthäus Schwarz dem Gerede, zu dem sich der Wirt aus Höflichkeit verpflichtet fühlte. In Gedanken war er woanders. Schließlich leerte er, um den geschwätzigen Belanglosigkeiten des Wirts zu entkommen, seinen Becher in einem Zug und stieg hinauf in seine Kammer.
    Müde von der Reise, befreite er sich von seiner Kleidung und legte sich aufs Bett. Vor fünf Tagen war er nach einer turbulenten Zeit, in Augsburg aufgebrochen. Durch Jakob Fuggers Ableben war sein Erbe den Neffen Raymund und Anton zugefallen, denen der Gewürzhandel mit Indien, die Kupferbergwerke in Spanien und Ungarn und das europäische Finanzwesen so fremd waren wie dieMärchen aus Tausendundeiner Nacht. Umso mehr kam Schwarz die Aufgabe zu, ein wachsames Auge auf das Imperium zu haben.
    Doch mehr als Gut und Geld beschäftigte den Abgesandten der Fugger ein Gedanke, der ihm buchstäblich zu Herzen ging. Seit seiner letzten Reise nach Mainz zu Kurfürst Albrecht von Brandenburg ging ihm Magdalena, die Frau des Seiltänzers, nicht mehr aus dem Kopf.
    Der unerwartete Tod des Fuggers Jakob hatte ihn dazu gezwungen, Mainz überstürzt zu verlassen und nach Augsburg zurückzukehren. Aber kaum war der Fugger unter der Erde, hatte sich Schwarz erneut nach Mainz auf den Weg gemacht. Im Kloster von Eberbach traf er auf Richwin, den versoffenen Lohnkutscher. Der erzählte, er habe Magdalena und ihren Buhlen nach Würzburg befördert, wo die Frau im Gasthaus ›Zum Schwanen‹ logiere, während ihr Begleiter sich in das Kloster Sankt Jakobus zurückgezogen habe. Dort angekommen, wusste allerdings niemand, wohin sich Magdalena begeben hatte. Nur der blinde Pförtner von St.Jakobus – er tat sehr geheimnisvoll – meinte, er an Schwarzens Stelle würde in Bamberg nach ihr suchen. So gelangte Matthäus schließlich in die Stadt an der Regnitz.
    Gedankenverloren war Matthäus Schwarz gerade am Einschlafen, als er plötzlich hochschreckte. Aus der Kammer nebenan drang eine erregte Unterhaltung:
    »Ihr hättet die beiden nicht umbringen dürfen! Von Mord war nie die Rede.«
    »Sie wussten zu viel. Glaubt mir, es war der einzige Ausweg! Sie wären uns sonst zuvorgekommen.«
    »Ach was!«
    Schweigen.
    »Im Übrigen waren es Ungläubige. Sie war sogar eine Hexe. Früher oder später wäre sie sowieso auf dem Scheiterhaufen gelandet.«
    »Und der Brand in der ›Hölle‹?«
    »Es musste sein.«
    Schweigen.
    »Johannes, mir graut vor Euch!«
    »Nun seid nicht päpstlicher als der Papst! Ihr wolltet unbedingt in den Besitz der Bücher kommen, koste es, was es wolle.«
    »Ich

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