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Die Frau des Seiltaenzers

Die Frau des Seiltaenzers

Titel: Die Frau des Seiltaenzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Name werde dereinst neben dem Julius II. genannt werden. Aber damit würde ich Euch betrügen, und es wäre nur mir gedient. Ich würde die zehn Gulden einstecken und mich des Lebens freuen, Ihr aber hättet nichts davon.«
    Während Faust und der Bischof heftig über Geburt und Ableben bedeutender Männer diskutierten, kehrte der Diakon-Sekretär mit zehn Gulden und der Nachricht zurück, die Mörder des Schriftgelehrten Helmont und seiner Buhle seien gefasst und säßen hinter Schloss und Riegel.
    Die Nachricht versetzte den Zukunftsdeuter in Aufregung, und er erkundigte sich besorgt, wer die Tat begangen habe und aus welchen niederen Motiven. Doch der Diakon blieb die Antwort schuldig. Mehr, sagte er, wisse er auch nicht.
    »Davon haben Euch die Sterne wohl nichts verraten«, bemerkte Weigand von Redwitz spöttisch.
    »Ich habe sie nicht danach gefragt«, antwortete Doktor Faust schlagfertig, aber sichtlich aufgebracht.
    Der Zukunftsdeuter nahm die zehn Gulden in Empfang und versprach, das Horoskop binnen drei Tagen wahrheitsgemäß zu erstellen. Das Wort wahrheitsgemäß betonte er ausdrücklich. Eilends verschwand er, den Fürstbischof misstrauisch zurücklassend.
    Um Mitternacht desselben Tages geriet die Welt der kleinen Stadt in noch größere Aufregung, als sie der Doppelmord an dem Schriftgelehrten und seiner Buhle ohnehin gebracht hatte. Vom Turm der Oberen Pfarre stieß der Türmer in sein Horn und blies das Signal ›Feuer‹: drei kurze hohe Töne und ein langer, tiefer Ton. Nach dreimaliger Wiederholung des Signals hielt er einen Trichter vor den Mund und rief in alle Himmelsrichtungen: »Feuriooo in der Hölle, Feuriooo in der Hölle!«
    Der Ruf des Türmers hätte durchaus Anlass zum Schmunzeln gegeben – Feuer in der Hölle! –, aber die Lage war zu ernst: Aus dem Haus der Pfisterin loderten hohe Flammen. Helfer, die inzwischen, mit ledernen Eimern versehen, eine Menschenkette bis zur Regnitz bildeten, hatten die Wittfrau in letzter Sekunde aus ihrem Haus gerettet. Jetzt kniete sie fassungslos, die Hände vors Gesicht schlagend, vor ihrem brennenden Haus und schluchzte: »Oh, mein Herr und Gott, warum tust du mir das an!«
    Die Balken des alten Fachwerkhauses waren für das Feuer ein gefundenes Fressen, und alle Löschversuche blieben vergebens. Zwei volle Stunden loderten die Flammen. Die Angst war groß, das Feuer könne auf die ganze Häuserzeile in der ›Hölle‹ übergreifen und einen Stadtbrand von ungeahntem Ausmaß verursachen, da stürzte die flammende Ruine des Hauses in sich zusammen und verursachte eine gewaltige Staub- und Aschewolke. Doch diese Wolke erstickte das Feuer wie durch ein Wunder.
    Aus allen Teilen der Stadt kamen die Gaffer herbeigeeilt, um einen Blick auf das zerstörte Haus und das Leid der Pfisterin zu werfen. Es gab kaum noch ein Durchkommen, und die Kommentare der Schaulustigen reichten von Mitleid bis Schadenfreude; denn die Wittfrau war wegen ihres losen Mundwerks alles andere als beliebt.
    Das war die Stunde des Türmers: Umringt von Neugierigen wusste er zu berichten, er habe vor Ausbruch des Brandes beobachtet, wie im Hinterhof des Hauses der Pfisterin eine Fackel entzündet wurde. Unter den gespannt lauschenden Zuhörern befand sich einfremdes Gesicht, das in der Aufregung keinem außer dem Türmer auffiel.
    Auf Verlangen musste er seine Beobachtung mehrmals wiederholen. Dabei hielt er den Blick fortwährend auf den Fremden gerichtet. Während die Fragen auf ihn einprasselten, wandte sich der Türmer um. Als er seinen Blick wieder nach vorne richtete, war der Unbekannte verschwunden.
    Der späte Gast reiste in einem Planwagen neuester Bauart, bespannt mit vier prächtigen Rappen, und machte auch sonst einen ungewöhnlich vornehmen Eindruck. Jedenfalls begrüßte ihn der Wirt vom Gasthaus ›Zum wilden Mann‹ unterwürfigst und redete ihn mit »Euer Ehren« an wie einen kaiserlichen Gesandten.
    Für sich persönlich mahnte der Fremde die beste Kammer an, für seinen Kutscher und den Lakaien eine angemessene Bleibe im Hinterhaus. Ins Fremdenbuch solle der Wirt eintragen: Matthäus Schwarz, Abgesandter, Schuldeneintreiber und Hauptbuchhalter der reichen Fugger zu Augsburg, nebst Kutscher und Lakai. Im Übrigen möge er die Pferde versorgen.
    Der dicke Wirt verneigte sich so tief, dass sein ausufernder Bauch beinahe das Pflaster berührte, und rief in einem fort: »Oh, welche Ehre, Euer Ehren!«
    Während eines bescheidenen Mahls in der Wirtsstube, das der dicke

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